© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 52/53 04 17./24. Dezember 2004

Nazis sind immer die anderen
Politische Symbolik: Der gefürchtete "sächsische Gruß" des Holger Apfel
Jens Knorr

Stück für Stück stirbt die Demokratie, die sächsische zumindest. Am 9. Dezember stimmten 14 Abgeordnete des Sächsischen Landtags statt für einen Ausländerbeauftragten für einen Ausländerrückkehr-Beauftragten, den NPD-Kandidaten Mirko Schmidt. Nach der Ministerpräsidentenwahl vier Wochen zuvor erhielt die NPD nun also zum zweiten Mal bei einer Abstimmung zwei Stimmen mehr, als sie Abgeordnete stellt. Und weil die Nazis sowieso immer die anderen sind, sucht die regierende Koalition die beiden Abtrünnigen bei der Opposition, die Opposition bei der Koalition, jeder beim anderen. Einigkeit besteht zumindest darüber, daß die beiden zusätzlichen Stimmen nicht auch noch aus den Reihen der NPD gekommen sind.

"Das verheerende Signal ist, daß die NPD wählbar ist", fällt dem PDS-Fraktionsvorsitzenden Peter Porsch auf. Aber das war 9,2 Prozent der Wähler bereits im Laufe des 19. September aufgegangen. Und dem SPD-Fraktionsvorsitzenden Cornelius Weiss wird in der Vorweihnachtszeit sogar reformpädagogisch zumute: "Allein mit Prügeln kommen wir da nicht weiter."

In seiner Regierungserklärung vor der Wahl, die er mit all der albernen Politmetaphorik aufgeschmückt hatte, die unter wehrhaften Demokraten wohl als literarisch gilt, meinte der sächsische CDU-Ministerpräsident Georg Milbradt sich dafür schämen zu müssen, daß ein Bild Holger Apfels vom Wahlabend um die Welt gegangen sei, auf dem der NPD-Fraktionsvorsitzende die rechte Hand zum Gruß erhoben habe. Auf dem Berliner Bundespresseball sei das als "sächsischer Gruß" bezeichnet worden.

Das aber ist nicht einmal die halbe Wahrheit. Tatsächlich ist die Aufnahme Teil einer ganzen Bilderserie, die Apfel vor allem in gereckter Siegespose zeigt, wie wir sie von Sportlern, Schlagerstars und Politikern kennen. Die Pose will vom Sieg nach hartem Kampf zeugen und von der Bereitschaft, den Sieg mit jenen zu teilen, denen er sich verdankt, den Trainern, Mitstreitern, Fans, den freiwilligen und unfreiwilligen Wahlhelfern. Und den Wählern.

Zugegeben, die Pose ist restlos entwertet, seit jeder dahergelaufene Prolo-Held des Banalen, heißt er nun Zlatko Trpkowski oder Franz Müntefering, zu ihr greift, seine Niederlagen wie Siege aussehen zu lassen, ob am Abend des deutschen Vorentscheides zum Grand Prix Eurovision de la Chanson 2001 oder an den Abenden sämtlicher Landtagswahlen der letzten Jahre. Von einer Niederlage der NPD am 19. September kann beim besten Willen nicht gesprochen und von einem Spitzenkandidaten mit diesem Wahlergebnis kaum verlangt werden, seine Wähler und Anhänger nicht auch zu grüßen.

Als sein Parteivorsitzender Udo Voigt an seine Seite tritt, nimmt Apfel die Schulter zurück und den linken Arm an die Hosennaht. So verblieb Apfels ausgestreckte Rechte in der Luft stehen, allein schon aufgrund des Winkels beim besten Willen nicht als verbotener Gruß auszulegen, den die Bildunterschrift der Deutschen Presse-Agentur (dpa) zu suggerieren sucht.

Mehr um den Ruf des Landes Sachsen als um den eigenen besorgt, setzte Milbradt in seiner Regierungserklärung die politischen Aussagen Apfels mit denen des Reichspropagandaministers Joseph Goebbels in eins. Ob's Apfel kränken wird, sei dahingestellt.

Doch woran können wir die Nationaldemokraten von den Demokraten im sächsischen Landtag unterscheiden? An ihrem Motto "Sachsen zuerst!"? An ihrem Bekenntnis zu deutscher Leitkultur? An ihrer Zustimmung zu sechsjährigem gemeinsamen Schulunterricht? An ihrer Ablehnung der Hartz-IV-Gesetzgebung? An ihrem Hinweis auf ein Gesetz der Regierung Kohl aus dem Jahre 1983 namens "Gesetz zur Förderung der Rückkehrbereitschaft von Ausländern"? An ihrer Forderung, den Nationalfeiertag auf den 9. November zu legen? Alles falsch. Wir erkennen die Nazis am römischen, am deutschen, am sächsischen Gruß!

Foto: Holger Apfel (l.), Udo Voigt am Wahlabend des 19. September: Jeden Moment wird der NPD-Vizechef den linken Arm herunternehmen


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