© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 51/04 10. Dezember 2004

Günther Oettinger
Der Pate
von Kurt Zach

Wenn nur das Grinsen nicht wäre. Dann sähe Günther H. Oettinger - wie er im "Ländle" heißt, auch wenn das "H" nicht den Sprung in die überregionale Berichterstattung geschafft hat - aus wie der ganz normale Karrierist von nebenan: Geboren wurde der "Königsmörder" und künftige Regierungschef von Baden-Württemberg 1953 in Stuttgart. Rechtsanwalt, evangelisch, mit einer Modedesignerin verheiratet, ein sechsjähriger Sohn, der auch mal Anwalt werden soll wie der Papa; Vater FDP-Mann, er selbst von Jugend an in der CDU. Am 21. April 2005 winkt Oettinger der höchste Lohn der Ochsentour: Zwanzig Jahre Landtag, vierzehn Jahre Fraktionsvorsitz und dann endlich Ministerpräsident.

Aber das Grinsen, das immer wieder haifischartig durch die unauffällige Gesichtsfassade blitzt. Aus Oettinger wird keiner so recht schlau: Kühler Analytiker, schnell im Kopf - das geben selbst seine Gegner zu. Aber schlimmer Schwäbler und das nicht von der charmanten, sondern von der penetranten Art, nicht "knitz", sondern "verhockt". Dafür ist Oettinger ein begnadeter Strippenzieher und Machttechniker, der sein geduldig aufgebautes Klüngel-Netzwerk exzellent zu nutzen versteht, um sich zur Macht zu mobben. Die Rolle des Landesvaters, die der bieder-bigott-bodenständige Teufel so trefflich spielte, liegt ihm nicht. Eher schon die des Landespaten.

Oettinger verbrüdert sich gern, solange er seinen Vorteil sieht. Beim zwielichtigen Pizzeriabesitzer Mario Lavorato, der offenbar weniger der Stuttgarter als der kalabrischen "ehrenwerten Gesellschaft" zuzurechnen war, waren er und seine Anhänger Stammgäste. Von den mutmaßlichen Mafiaverbindungen des eifrigen Parteispenders will Oettinger aber nichts mitbekommen haben. Vom Vorwurf des Verrats von Dienstgeheimnissen sprach ihn ein Untersuchungsausschuß frei. Als Lavorato alle Prozesse überstanden hatte und nach Stuttgart zurückkehrte, kannte Oettinger ihn nicht mehr.

Denn ein Oettinger paßt sich überall gut an. Bei seinen Bundesbrüdern singt er das Deutschlandlied in allen drei Strophen (JF 26/00), bei seinen Unternehmerfreunden das Hohelied des Wirtschaftsliberalismus. Als JU-Landeschef stimmte Oettinger Ende der Achtziger auch mal in den Chor der Möchtegern-Aufsteiger ein, die Kohl als Kanzler absägen wollten; als die Wiedervereinigung dazwischenkam, hielt er sich aus der Bundespolitik wieder heraus.

Der "spannendste Wettbewerber" ist für Oettinger, der schon früher mal mit schwarz-grünen Bündnissen liebäugelte, übrigens die Multikulti- und Zuwanderungs-Partei. Warum auch nicht. Inhaltlich weiß sowieso keiner, wofür Oettinger genau steht. Endlich kommt auch im Ländle die neue Generation von CDU-Smarties ans Ruder, die Standpunkte nicht nach Überzeugung, sondern nach Taktik bezieht. Rundgeschliffene Gemeinplätze, austauschbare Inhalte - wie es die Karriere verlangt. Nur das Grinsen bleibt. 


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