© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 50/04 03. Dezember 2004

Meldungen

Mär vom gutmütig-gerechten Hegemon

BERLIN. Als ebenso unappetitlich wie scharlatanesk ist es dem einst hochberühmten "Reisephilosophen" Hermann Graf Keyserling verdacht worden, daß er die weltpolitischen Probleme seiner Zeit während des kurzen Intervalls zu lösen pflegte, das ihm zwischen dem Verzehr seiner geliebten Sahneschnitten eine Antwort gestattete. Der allgegenwärtige Berliner Philosophendarsteller Volker Gerhardt, selbstredend Mitglied in des Kanzlers Ethik-Kommission, scheint sich nun als geistiger Nachfahre Keyserlings profilieren zu wollen, wie seine jüngste Einlassung in Sachen "Kampf gegen den Terror" belegt (Merkur, 11/04). Im imperialen Deutungsgestus ("Ich werte den Terrorakt des 11. September 2001 als einen gezielten Angriff auf die Kultur der Welt"), in universalistischen Phantasmen ("globale Zivilisation", "gemeinsame Welt", "alle Menschen") schwelgend, durchsetzt mit bizarren Geschichtsmythen (wonach "der deutsche Antisemitismus" für "das größte politische Problem im Nahen Osten ursächlich ist"), fordert Gerhardt auch im Herbst 2004 noch "unbedingte Solidarität" mit dem (politisch inexistenten) "amerikanischen Volk", mit jener während des Irak-Einfalls auch von Habermas "allein gelassenen Großmacht", der die undankbaren Deutschen doch "die Landung in der Normandie und die Luftbrücke" verdanken, weil in einer auf "rechtlich garantierter Gegenseitigkeit gegründeten Weltordnung" kein Staat mehr "geduldet" werde könne, der "Grundrechte und internationale Verbindlichkeiten" verletzte. Gegen diesen Apologeten des US-Imperialismus erinnert Günter Giesenfeld (Blätter für deutsche und internationale Politik, 11/04) nüchtern daran, daß die USA keinem kantischen Kosmopolitismus nachstreben, sondern, im "geopolitischen Delirium" befangen, ihre als "gutmütig" deklarierte "Herrschaft über die ganze Welt" etablieren möchten.

 

Schon im Mittelalter: Überfischung der Meere

BERLIN. Die Überfischung der Meere begann in Großbritannien schon um 1000 nach Christus und damit fast 500 Jahre früher als bisher angenommen. Das zeigt eine Untersuchung britischer Wissenschaftler um James Barrett von der Universität York von 127 Ablagerungen mit Gräten verschiedener Fischarte aus dem siebten bis sechzehnten Jahrhundert auf Hinweise für intensiv betriebenen Fischfang (Proceedings of the Royal Society: Biological Sciences, aktuelle Ausgabe). Vor allem betroffen waren demnach Kabeljau und Hering, deren Bestände in der Nordsee zu dieser Zeit wegen des warmen Klimas zudem sehr niedrig waren. Mögliche Ursachen für die starke Nachfrage könnten Bevölkerungswachstum und Urbanisierung mit einer stark auf Fischverzehr ausgerichteten christlichen Fastentradition gewesen sein.


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