© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 48/04 19. November 2004

Kolumne
Lebenslügen
Klaus Hornung

Wie wohlgefällig, ja verführerisch fing alles an: Einwanderung nach Europa sei notwendig, um den Lebensstandard trotz Geburtenschwund zu halten, ja sie sei eine Bereicherung, beginnend mit der Vielfalt der internationalen Küche und ihrer Feinschmeckerlokale. Umgekehrt versprachen die europäischen Gutmenschen in Politik und Medien aller Welt ein gutes, ein besseres Leben in Europa. Und sie kamen: aus Pakistan nach Großbritannien, aus Indonesien und Surinam in die Niederlande, aus Nordafrika nach Frankreich und Spanien, aus Schwarzafrika nach Italien, aus der Türkei nach Deutschland, insgesamt heute zig Millionen im europäischen Haus.

Als die Holländer sich vor dreihundert Jahren gegen die spanische Weltmacht und deren religiöses Dunkelmännertum stellten und Verfolgten Zuflucht boten, entsprang ihre Toleranz ihrem religiösen und politischen Selbstbewußtsein.

Heute rührt die Toleranz der Europäer mehr aus ihrer kulturellen und politischen Schwäche, aus Selbsthaß, der die Fremden anlockt, weil man mit sich selbst zerfallen ist, die eigene Kultur und Geschichte nicht mehr kennt, sondern verachtet und sich Erlösung bei den Anderen verspricht. Toleranz wird dann vor allem ihnen versprochen, aber den Eigenen verweigert, wenn auch sie von ihren Interessen und Menschenrechten zu sprechen wagen. Dann können die Establishments sehr unangenehm werden.

Nun sprechen die Gutmenschen aus der niederländischen Sozialdemokratie und die gute alte Frankfurter Allgemeine Zeitung vom "Kollaps der multikulturellen Gesellschaft zuerst in Holland". Während die deutschen Rot-Grünen sich nochmals aufbäumen, um mit weiteren Änderungsgesetzen am an sich schon schwächlichen Zuwanderungskompromiß dieses Sommers doch noch ihre multikulturellen Träume zu retten, beginnt man rundum in Europa aus den Lebenslügen falscher Toleranz aus Selbstvergessenheit unsanft zu erwachen.

Wie wurden die Kritiker einer zügellosen Einwanderung jahrelang von der Political Correctness zusammengedonnert, der Todsünden der Fremdenfeindlichkeit und des Rassismus geziehen. Nun beginnt sich das Prinzip Wirklichkeit in mehr und mehr Köpfen durchzusetzen, jedenfalls bei den Denkenden, und das ist gut so. Übrigbleiben werden am Ende die Ideologen des nationalen und europäischen Selbsthasses, natürlich vor allem bei den Deutschen.

 

Prof. Dr. Klaus Hornung lehrte Politikwissenschaften an der Universität Hohenheim.


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