© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 48/04 19. November 2004

Sippenhaftung
Die Kinder des Geächteten
Dieter Stein

Eine Schule in Niedersachsen will zwei Kinder, ein elfjähriges Mädchen und einen achtjährigen Jungen, ausstoßen. Der Vater, seit acht Jahren Lehrer an der Schule, hatte der Schulleitung in den Herbstferien angekündigt, er werde als wissenschaftlicher Mitarbeiter für die neue NPD-Fraktion im sächsischen Landtag arbeiten.

Der Name des Lehrers: Andreas Molau. Die Schule: die Waldorfschule Braunschweig. Die Schulleitung, die bislang keinen Anstoß an der Arbeit des Deutsch-, Geschichts- und Politik-Lehrers nahm, ihn sogar als "sympathischen Querkopf" und "eher als linksliberal" einschätzte, so Geschäftsführer Michael Kropp, war geschockt. Molau mußte die Arbeit sofort einstellen.

Die Schulleitung erteilte aber nicht nur Molau, sondern auch seiner Frau Hausverbot - und erklärte auch die beiden Kinder, die seit der ersten Klasse die Schule besuchen, zu unerwünschten Personen. Ein elfjähriges Mädchen und ein achtjähriger Junge, die ihren gesamten Freundeskreis auf dieser Schule haben, die ihre Lehrer mögen und dort Abitur machen wollten, werden von heute auf morgen zu Unpersonen erklärt, zu Aussätzigen, weil ihr Vater die falsche politische Meinung hat.

Man kann es kaum ermessen, was diese - bislang nur in totalitären Regimen bekannte - Maßnahme der Sippenhaftung auslöst. Welches menschlich katastrophale Beispiel gibt diese der ganzheitlichen Bildung und Erziehung verpflichtete Schule mit ihrem Verhalten?

Andreas Molau erklärt, die Forderung nach einem Ausschluß seiner Kinder von der Schule sei von namhaften Eltern, darunter einem evangelischen Pfarrer gekommen, dessen Kinder die Waldorfschule besuchen. Peinliche Szenen spielen sich ab, wie man sie nur aus der DDR oder dem Dritten Reich zu kennen glaubt: Ein bekannter Bundesligaspieler beim VfL Wolfsburg schickt seine Kinder ebenfalls auf die Schule. Zufällig begegnet er der Ehefrau Molaus auf dem Schulgelände und grüßt sie. Später wird er gewahr, wen er gegrüßt hat: die leibhaftige Frau des verfemten Lehrers! Der Profi-Fußballer rief noch am selben Tag aufgelöst bei Molau an, um sich von seinem Gruß förmlich zu distanzieren, falls der Gruß von Dritten als Sympathieerklärung für die politischen Ziele des Mannes mißdeutet werden könne.

Andreas Molau war 1994 Redakteur der JUNGEN FREIHEIT. Er schied in der Folge einer Auseinandersetzung um den redaktionellen Kurs der JF im September 1994 im Streit aus. Seinen Einsatz für NPD, die - wie das JF-Interview mit dem Vorsitzenden Udo Voigt zeigte - offen mit Neo-Nationalsozialisten kooperiert, muß man scharf kritisieren, weil es ein Irrweg ist. Um so deutlicher muß man aber verdammen, welches Unrecht ihm und seiner Familie abgetan wird. Der Fall ist ein Skandal und die Familie Molau hat volle Solidarität verdient.

Freie Waldorfschule Braunschweig e. V., Rudolf-Steiner-Straße 1, 38120 Braunschweig, Geschäftsführer Michael Kropp, Telefon: (05 31) 2 86 03-12, Telefax: (05 31) 2 86 03-33, E-Post: michael.kropp@waldorfschule-bs.de 


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