© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 47/04 12. November 2004

Leserbriefe

Zu: "Wir müssen lernen, wieder eine normale Nation zu sein", Interview mit Egon Bahr, JF 46/04

Dem Namen gerecht geworden

Ein Glückwunsch in zweierlei Hinsicht an die JUNGE FREIHEIT. Zum ersten habe ich selten ein Interview mit solcher Spannung gelesen wie das mit Egon Bahr. Zum zweiten hat die JF damit ein Thema angefaßt, das für die anderen großen Blätter noch immer "unberührbar" ist: die Notwendigkeit einer Renaissance der deutschen Nation und des Nationalstaats.

Egon Bahr gibt seiner Einsicht Ausdruck, daß wir Deutsche mit unserer Verleugnung der eigenen Nation auf einem Sonder-Holzpfad sind und daß wir ohne Besinnung auf uns selbst in Europa kaum zukunftsfähig sein werden.

Was ich an diesem Interview bemerkenswert finde, ist, daß die JF dem Thema zwei volle Seiten widmet. Ich erinnere mich, daß die FAZ das gleiche Thema heruntergespielt hat. Am 4. April 2001 hielt Bundespräsident Rau vor dem Europäischen Parlament eine bemerkenswerte Rede, in der er eine europäische Verfassung forderte, für die er vorschlug, Europa als eine Föderation von Nationalstaaten zu konzipieren und nicht, wie bisher von der deutschen Politik verlangt, als Bundesstaat. Auf Raus Rede folgte am 5. April zwar ein Artikel in der FAZ, doch später keine Kommentare und auch keine Leserbriefe. Solches ist sonst üblich.

Daraufhin fragte ich einen Journalisten der FAZ, warum denn diese so bedeutungsvolle Rede nach kurzer und einmaliger Berichterstattung totgeschwiegen würde. Ich bekam zur Antwort, daß sich die FAZ auf das politische Ziel eines europäischen Bundesstaates festgelegt habe und daß etwas anderes in der FAZ nicht diskutiert würde, selbst wenn es der Bundespräsident vorschlage. Ich danke der JF, daß sie ihrem Namen gerecht wird und sich die Freiheit nimmt, auch das zu diskutieren, was andere Zeitungen scheuen.

Generalmajor a.D. Gerd Schultze- Rhonhof, Buxtehude

 

Voluminöse Unklarheit

Heute nennt Bahr es einen Fehler, daß manche Zeitgenossen den Glauben an die deutsche Einheit aufgegeben hatten. Tatsache ist, daß die neue Ostpolitik, die Bahr entworfen hatte, nicht nur die deutsche Einheit als Utopie ansah, sondern sie durch Vertrag total torpedierte. Die Verträge mit Moskau und Warschau waren substantiell Zementierungsverträge des von Stalin bewerkstelligten Status quo, also Grenzanerkennungsverträge, und dazu gehörte auch die innerdeutsche Grenze. Die Betonierung auch dieser Grenze war der politisch erklärte Verzicht auf die deutsche Einheit.

Es gehört zur voluminösen Unklarheit der Bahrschen Sprachregelungen, die ihm das Attribut "Meister der gespaltenen Zunge" eintrugen. Allein über die richtige Übersetzung des russischen Textes zur Zementierung der Grenzen lieferte man sich ausufernde Diskussionen, da sowohl die Bezeichnung "unverletzlich" wie "unantastbar" angewendet werden konnte. Bedenkt man die anderen Themen, die die Ostverträge aufwarfen, wie Friedensvertragsvorbehalt, allgemeiner Gewaltverzicht, Feindstaatenklausel der Uno oder den Punkt freies Berlin, so wird klar, daß Bahr nicht anders verbal agieren durfte, als er es tat.

Die gesamten Ostverträge waren ein politischer Fehler, weitaus schlimmer als der, den Schröder beging durch Fehleinschätzung der Demographie.

Bahr lobt den Brief zur deutschen Einheit, der aber nicht auf seinem Beet gewachsen ist, sondern das Werk ausschließlich der Union gemäß der Forderung von Rainer Barzel. Zur historischen Seite der Ostverträge gehört noch der Hinweis, daß die Zementierung des Status quo auch weitgehend jene Abmachungen bestätigte, die durch zwei Geheimprotokolle vom August und September 1939 entstanden waren. Der Kniefall von Brandt war prinzipiell auch ein medial moralischer Coup, der auf die Akzeptanz der Verträge ausgerichtet war, von denen aber Edward Heath sagte: "Sie bringen kein Mehr an Sicherheit, sondern ein Meer an Unsicherheit."

Hermann Pieper, Dortmund

 

 

Zu: "Mehr Druck auf Europa" von Alexander Griesbach, JF 46/04

Erkennbar instabil

Eine Nation hat gewählt, und das Ergebnis läßt die eine Hälfte jubeln, die andere fällt in Ratlosigkeit und Angst. Wieder einmal werden Zweifel an der regulativen Kraft unserer demokratisch konstituierten Staatsformen laut. Mit "Jesus würde Bush wählen", mit systematisch institutionalisierter und wachgehaltener Terrorangst durch wechselnde Alarmstufen, mit nachweislich erfundenen Massenvernichtungswaffen und selbstinduzierter Milzbrandgefahr wurde ein Klima kollektiver Angst erzeugt. Welches Anschauungsmaterial braucht der mündige Bürger noch als Entscheidungshilfe bei seiner Wahl? Aber hatte er in dem Gegenkandidaten eine glaubwürdige Alternative?

Die Erkenntnisse von Gustave Le Bon in seiner "Psychologie der Massen" von 1911 gelten bis in unsere Tage, trotz - oder gerade wegen - der Informationsfülle unserer Mediengesellschaft: Am Ende steht der Mensch hilflos manipulierbar als Ausgelieferter in der Zeit, damals wie heute.

Unsere einzige Führungsmacht hat ihren Präsidenten für weitere vier Jahre mit noch mehr Macht ausgestattet. Damit ist eine erkennbar instabile, selbstsuggestive Persönlichkeit ohne eigene sichere Auffanglinien wieder einmal der mächtigste Mann der Welt. Und das in einer global explosiven Situation, die nach humanen, ursachenorientierten und deshalb länger tragenden Konfliktlösungen schreit.

Dr. Horst A. Hoffmann, Kiel

 

 

Zu: "Im Kreuzfeuer" von Dirk Zahn, JF 45/04

Im Einklang mit Gott

Wissen die Menschen heute nicht mehr, daß ein Embryo ein Mensch in seiner kleinsten Erscheinungsform ist? Ein Embryo ist absolut hilflos, kann sich auf keine Art und Weise gegen einen Angreifer oder gar gegen einen Mörder seiner kleinen menschlichen Existenz wehren. Wir sind deshalb verpflichtet, den Embryo (welcher ja ein ganzer Mensch mit unsterblicher Geistseele ist) absolut zu schützen. Dies ist eine absolute Pflicht. Sollten wir gegen einen Menschen in seiner kleinsten Erscheinungsform schuldig geworden sein, so bleibt nur Reue und Buße, um wieder im Einklang mit Gott und den Mitmenschen leben zu können.

Oskar Schmitt, Rimpar Maidbronn

 

 

Zu: "Ein sehr sensibles Thema" von Josef Hämmerling, JF 45/04

Endlagerstätte

Deutschland braucht Zuwanderung. Nämlich an intelligenten Politikern und Gewerkschaftern, die man in Deutschland kaum noch findet. Könnte man nicht per Greencard qualifizierte Politiker aus der dritten Welt importieren? Das wäre wirklich ein Segen für Deutschland. Eine Entsorgungslösung für die in Deutschland überflüssig gewordenen Politiker sehe ich auch schon. Wir exportieren sie einfach nach Brüssel in die Endlagerstätte für ausgebrannte Politiker.

Dort können sie sich dann beschäftigen mit Importvorschriften für Karamelbonbons, der Krümmung von Bananen, Normgrößen von Äpfeln, dem Verbot von Überraschungseiern und ähnlich wichtigen Dingen. Hauptsache ist, sie stören nicht mehr die aktuell notwendige Politik mit ihrem Unsinn.

Dr. Friedrich Walter, Wankendorf

 

 

Zu: "Untergang des Abendlandes" von Karlheinz Weißmann, JF 44/04

Hegemoniestreben

Der Autor nimmt sich, ganz jener JF- Methode folgend, wie sie schon im Fall Hohmann praktiziert wurde, des "Falles Buttiglione" an, um hiervon ausgehend die "christlichen Ursprünge der europäischen Einigung nach dem Zweiten Weltkrieg" dem Leser vor Augen zu führen. Dabei kommt Weißmann zutreffenderweise auf das katholische Dreigestirn De Gasperi, Schumann und Adenauer zu sprechen, macht aber daraus eine Geburt des einigen Europas aus dem Geist des politischen Katholizismus.

Auch wenn dies einseitig ist und die großen Verdienste des Liberalismus auf französischer Seite durch Jean Monet, auf deutscher Seite durch Eucken und dann Franz Böhm völlig ignoriert wurden, schleicht sich ein richtiger Lapsus erst bei der Behandlung von Kurt Schumacher ein. Dieser sei aus nationalen Sonderinteressen gegen eine Gemeinschaftsbildung gewesen und habe immer den Verdacht einer klerikal-kapitalistischen Verschwörung gegenüber den europäischen Einigungsbemühungen gehegt. Hier irrt der Autor: Denn Verschwörungen hat Schumacher nur vom rechten Rand der Republik (physisch geknechtet in Konzentrationslagern), und am linken Rand, bei seinem Kampf gegen den Kommunismus identifiziert und zu spüren bekommen.

Wenn Schumacher, der die europäischen Einigungsbemühungen ab 1958 nicht mehr erleben konnte, zu Ende der vierziger, Anfang der fünfziger Jahre den französisch inspirierten Konzepten einer politischen Union skeptisch gegenüberstand, so erklärt sich dies aus dem französischen Hegemoniestreben, welches sich hinter diesen Überlegungen versteckte. Großbritannien, der von Schumacher präferierte Gesprächspartner unter den Besatzungsmächten, stand damals den europäischen Einigungsbemühungen vollständig ablehnend gegenüber.

Demgegenüber hatte die Sozialdemokratie durch die Tätigkeit Carlo Schmids in Baden-Württemberg die Härte des französischen Besatzungsregimes - einer Siegermacht honoris causa - hinreichend zu spüren bekommen.

Dr. Markus C. Kerber, Berlin

 

 

Zu: "Bush ist nicht konservativ" Interview mir Scott McConnell, JF 45/04

Kein Pferd im Rennen

Erfreut war ich über die wohlwollende Darstellung der altkonservativen Zweiwochenschrift American Conservative, der ich als Mitkämpfer verbunden bin, und nicht zuletzt über die Schilderung des unternehmungslustigen Redakteurs Scott McConnell.

Was unterstrichen werden muß, ist, daß die Wahlentscheidung für Kerry, für die McConnell und andere Gleichgesinnte eingetreten sind, nicht gut beraten war. Man hat so aus der unbegründeten Hoffnung gehandelt, daß aus der Ablösung eines irregeführten und augenscheinlich untauglichen Präsidenten etliche Vorteile (so geht das Tappen im Dunkeln) zu ziehen sind. Egal, wie Kerry sein Amt geführt hätte, so die Altkonservativen, hätte er der amerikanischen Verfassung nicht mehr Schaden zufügen können als Bush und seine Neocon-Berater. Das bleibt aber eine offene Frage.

Wie bei den deutschen Blöcken weisen unsere zwei Parteien in den USA keine bedeutenden ideologischen oder weltanschaulichen Unterschiede auf. Wie bei den Deutschen stellen wir den Wählern eine kulturell ausufernde und auf Multikulti abgestimmte Parteiformation (die Demokraten) und ein Sammelsurium der umfallenden, aber nicht offiziell links eingestuften Opportunisten (die Republikaner) zur Wahl.

Innerhalb dieses begrenzten Angebots waren wir gezwungen, uns für den besseren von zwei moralisch und geistig dürftigen Kandidaten, die selten konservative Haltungen mit Wissen oder Überzeugungskraft aufstellen, zu entscheiden. Wie aus meinen Feststellungen zu schließen ist, ist es für unsere benachteiligten Konservativen unerheblich gewesen, ob Kerry oder Bush bei diesem Rennen auf dem ersten Platz gelandet ist. Bei diesem Wettrennen hatten wir kein gemeldetes Pferd.

Prof. Paul Gottfried, Elizabethtown, USA

 

 

Zu: "Verdeckter Griff in die Kasse" von Manuel Ochsenreiter, JF 45/04

Ethik vermitteln

Wenn man sieht, wie die Regierung bisher Millionen in Projekte "gegen Rechts" investiert hat, kommen einem die Tränen. Anstatt diese Gelder sinnvoll beispielsweise in Kindergartenplätze, Jugendheimen, Schulkleidung oder allgemeine Erziehungs- und Bildungsmaßnahmen zu investieren und somit Radikalismus in jeglicher Art gleichermaßen im Keim zu ersticken, wird wieder einmal das Pferd von hinten herum aufgezäumt. Pisa ist größtenteils darauf zurückzuführen, das viele Kinder heutzutage kaum oder keine elterliche Erziehung genossen haben.

Warum also der Jugend nicht eine reale Chance auf Zukunft und außerdem gleichzeitig eine Perspektive zur sozialen Eigenentwicklung geben? Wir müssen unserer Jugend wieder Werte in Form von Moraltugenden, Disziplin und Ethik vermitteln. Das ist das ganze Geheimnis sinnvoller Erziehung - und nicht, womöglich noch von Steuergeldern finanzierte Antifa-Projekte ins Leben zu rufen.

Sven Ericksen, Delmenhorst

 

 

Zu: "Durch Vermögen beglückt" von Silke Lührmann, JF 45/04

Politischer Grund

Wenn festgestellt wird, daß sich in dem Wort Habseligkeiten "eher die calvinistische Prädestinationslehre ausdrückt, nach der weltliche Habe Seligkeit verheißt", so wundert mich diese Feststellung in der jungen freiheit sehr.

Wir haben hier eine scheinbar wissenschaftliche Analyse insofern vor uns, als die beiden in dem Wort enthaltenen Teilbegriffe auf eine geistesgeschichtliche Größe bezogen werden, die gerade nicht aus Deutschland stammt. Diese äußerliche Gleichsetzung läßt außer acht, daß die deutsche Form des Protestantismus als Voraussetzung der Seligkeit gerade nicht materielle Tatsachen ansieht, sondern nur den (nicht vorherbestimmten) Glauben (Luther). Daß "Habseligkeiten" zum schönsten Wort erklärt wird, ist bezeichnend für die heutige Tendenz, historische Entwicklungen einfach zu ignorieren. Denn das Wort drückt in Wahrheit eine geistliche Armut aus, und die Jury läßt außer acht, daß es bei uns Deutschen eine Zeit gab, die als Seligkeit etwas anderes ansah als Habe.

Zugleich hat die Auswahl des Wortes einen politischen Grund: Es soll abgelenkt werden von der diesseitsbezogenen Denkweise der Angelsachsen, und die Autorin hat durch die Erwähnung des Calvinismus wenigstens angefangen, die heutige (angelsächsisch inspirierte) Propaganda für einen internationalen Materialismus als solche zu entlarven.

Müller-Armack bemerkt in seinem Standardwerk "Religion und Wirtschaft" nicht von ungefähr, daß beim Calvinismus "der religiöse in den Machttrieb umgelenkt" ist. Seligkeit (Annahme durch Gott) muß nach Calvin jedenfalls schon hier erkennbar, also der (materielle) Erfolg sein; daß dies mit der Bergpredigt unvereinbar ist, arbeitet das Buch "Die Jahrhundertdiktatur" ebenso heraus wie das deutsche Wort Habseligkeiten.

Wolfgang R. Thorwirth, Gummersbach

 

 

Zu: "Nichts besseres danach" von Kurt Zach, JF 45/04

Kein Königsmörder

Ministerpräsident Erwin Teufel ist weit über die Grenzen seiner Partei und des Landes Baden-Württemberg hinaus geachtet. Er regiert seit fast 14 Jahren recht umsichtig und erfolgreich. Im Gegensatz zum Sturz Bernhard Vogels in Rheinland-Pfalz (Ende 1988) ist jetzt in Baden-Württemberg kein eindeutiger Königsmörder auszumachen. Der Nachfolger soll in einem etwas merkwürdigen Verfahren erst noch bestimmt werden. Erwin Teufels Rücktrittsankündigung für April 2005 ist vielmehr von einem innerparteilichen Diskurs verursacht worden, der dem Außenstehenden als schäbiges Spiel erscheinen muß. Eine originelle Broschüre aus dem Wahljahr 1996 heißt schlicht "Erwin Teufel, unser Ministerpräsident". Sie zeigt großformatige Fotos von Teufel, die von sparsamen Texten aus der Feder Manfred Rommels begleitet werden. In einem winzigen Impressum wird die CDU als Herausgeber der Broschüre genannt. Es ist unerfindlich, wieso ein ganz auf die Person Erwin Teufels zugeschnittener Wahlkampf nicht auch 2006 Erfolg versprochen hätte. 

Werner Schnörringer, Ludwigshafen

 

 

Zum "Fragebogen"

Höhere Qualität

Die JUNGE FREIHEIT lesen wir mit besonderer Begeisterung, es werden Themen angesprochen, die uns aus dem Herzen sprechen und den Gedankenexperimenten linker Pressuregroup-Publikationen entgegenstehen. Jedoch bei einer Thematik fällt es mir schwer, der JF Anerkennung zuzubilligen. In der Rubrik "Der Fragebogen" kommen ausschließlich Schauspieler der zweiten und dritten Wahl zu Wort.

Ich habe sicherlich nichts gegen Mimen, jedoch sollte deren Meinung und Wohlbefinden in der JUNGEN FREIHEIT keine überproportionale Beachtung finden.

Es gibt sicherlich Prominente von höherer Qualität beispielsweise aus der Politik oder Wirtschaft, deren Denken und Meinung sicherlich mehr allgemeines Interesse finden würde.

Ekkehard Ahland, Schloß Holte


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