© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 47/04 12. November 2004

Nach wie vor gilt: Friß die Hälfte
Schlemmen ohne Reue bleibt vorerst ein Wunschtraum: Die genmanipulierte Maus blieb zwar schlank, aber nicht lange am Leben
Richard Stoltz

Die Begeisterung war allgemein, hat freilich schon wieder einen Dämpfer erhalten. David James vom Garvan-Institut in Sidney war es gelungen, dem Genom einer Labor-Maus ein einzelnes Gen namens c-Cbl wegzumanipulieren, und danach konnte diese Maus so viel fressen, wie sie wollte, sie wurde davon nicht dicker. "Heiße Maus" ("hot mouse") nannte man das Wundertier, das die Probleme aller Schlankheits-Apostel ein für allemal zu lösen schien.

Inzwischen ist Hotmouse unter Krämpfen unsanft entschlafen, und die Forscher streiten noch darüber, ob das nun das vorbestimmte Ende eines von Natur aus kurzen Mäuselebens gewesen ist oder ob Hotmouse direkt an den Folgen ihres "Schlemmens ohne Reue" verstarb. Sie wurde nicht mehr dicker, doch es könnte durchaus sein, daß ihre Verdauung durch die Entfernung von c-Cbl so gründlich durcheinandergeriet, daß sie das nicht überlebte.

Sie wäre dann also nach der Operation eine zwar schlanke und schöne, eben heiße, Maus gewesen, aber auch eine, die nun den Stachel des frühen Todes in sich trug. Gene sind ja so vieldeutig! Sie bewirken das eine und verhindern das andere. Ihr Fehlen oder Nichtfehlen kann buchstäblich alles Mögliche auslösen. Manipulationen am Genom erweisen sich immer mehr als faktisch unkalkulierbares Risiko.

Mit der Hoffnung der Übergewichtigen und Eingebildet-Übergewichtigen, ihr Fett mittels schlichten genetischen Eingriffs loszuwerden, ist es offenbar nichts. FDH ("Friß die Hälfte!") bleibt die in jeder Hinsicht sicherste Abnehm-Methode. Und das ist gut so. Wer abnehmen will, soll etwas dafür tun; schließlich leben wir in einer Leistungsgesellschaft. Außerdem gibt es ja noch den Hunger in der Welt, angesichts dessen das berüchtigte "Schlemmen ohne Reue" ohnehin der reinste Zynismus ist. Professor James sollte lieber eine Maus züchten, die satt werden kann bei minimalster Kalorienzufuhr. Das wäre die eigentlich heiße Maus.


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen