© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 47/04 12. November 2004

Liebe Leser

Nimmt man das Zitat des französischen Siegers und späteren Staatspräsidenten Charles de Gaulle als Maßstab, wonach man den Charakter eines Volkes daran erkenne, wie es nach einem verlorenen Krieg mit seinen Soldaten umgeht, so dürfte sich dieses Bild bei den Deutschen nicht zum besten entwickelt haben. Denn die Vielzahl der in dieser Ausgabe dokumentierten Beispiele legt Zeugnis davon ab, daß in allen Regionen Deutschlands dem Gedenken an die Opfer des Krieges Widerstände erwachsen, die einerseits mit Geschichtsvergessenheit, mangelndem Engagement aber andererseits auch mit politischem Kalkül zu begründen sind.

Bereits vor drei Jahren erreichte die Redaktion ein Zeitungsausschnitt von einem Leser, der über die Verlagerung einer Gedenkstele für das ehemalige Kampfgeschwader 26 aus dem Stadtbild der Garnisonsstadt Lüneburg auf den abgelegenen Teil eines Kasernengeländes Auskunft gab. "Die Verlegung war der einzige Weg, um das Ehrenmal vor weiterer Zerstörung zu schützen", begründete Oberbürgermeister Ulrich Mädge damals diesen Schritt (JF 51/01).

Seitdem erreichten uns immer wieder Nachrichten über Abriß, Umwidmung, Schändung oder einfach nur Verwahrlosung von Kriegerdenkmälern. Im Zuge des Streites um das letztlich beseitigte Gedenkmal für die Gefallenen des 1. Panzerkorps der Waffen-SS in Marienfels (JF berichtete mehrfach) riefen wir unsere Leser dazu auf, uns gezielt mit Informationen über Mißstände in der Gedenkkultur zu versorgen. Damit wollten wir erstmals in einer überregionalen Zeitung die sonst allenfalls im Lokalteil versteckten Vorkommnisse präsentieren. Die große Resonanz erregte bei uns ein zwiespältiges Gefühl. Einerseits freuten wir uns über die rege Beteiligung unserer Leser, andererseits waren wir entsetzt über die schändlichen Beispiele, wie mit dem Gedenken an Gefallene, Ermordete, Bomben- und Vertreibungsopfern umgegangen wird.

Obwohl die Vielzahl der in dieser Beilage anläßlich des Volkstrauertages 2004 aufgeführten Fälle traurig stimmt, möchten wir nicht die Resignation befördern. Beispiele wie das 76er-Denkmal am Hamburger Dammtorbahnhof, welches als vernachlässigter und beschmierter Schandfleck mit privater Initiative saniert und gepflegt werden konnte, geben Mut, sich zu wehren und dem Verfall nicht tatenlos zuzusehen.

Wir möchten auch weiterhin mit der JUNGEN FREIHEIT ein Ansprechpartner bleiben, der die lokalen Fälle sammelt, Widerstände formiert und in gewissen Abständen darüber informiert. Die Aufforderung, uns hierin zu unterstützen, sollten Sie als Motivation zum Widerstand verstehen. Matthias Bäkermann

Foto: Unversehrtes Gefallenen-Ehrenmal von Hermann Bleeker in der Nähe der Münchner Staatskanzlei: "Auch die leiseste Spur einer Rechtfertigung des Handelns in der Vergangenheit nehmen"


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