© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 46/04 05. November 2004

Blick in die Medien
Toleranz
Ronald Gläser

Glaubenskrieg in Straßburg. Es ging um Rocco Buttiglione. Da produzieren sich Leute im ZDF-Frühstücks-Fernsehen, von denen wir außer im Wahlkampf fürs Europaparlament weder etwas sehen noch hören. Alexander von Lambsdorff zum Beispiel, der für die Liberalen erklärt, es sei die liberalste aller Kommissionen, aber wegen Buttiglione müsse die Zustimmung verweigert werden. Sehr liberal, das alles. In der Welt wird Cem Özdemir noch deutlicher. Er packt aus, worum es wirklich geht. Europas Basis seien die sogenannten neuen Tugenden wie Toleranz. Nun ist Toleranz keine Tugend, sondern ein Abfallprodukt aller wirklichen Tugenden wie beispielsweise Sparsamkeit, Aufrichtigkeit, Pünktlichkeit, Ordnungssinn, Sauberkeit, Ehrlichkeit und Treue. Toleranz dagegen heißt: Wegsehen, wenn jemand eine Wand beschmiert, wegsehen, wenn sich jemand zum Volltrottel macht, indem er auf dem Christopher Street Day sein nacktes Hinterteil präsentiert. In diesem Glaubenskrieg darf einer, der sich zu seinem christlichen Glauben bekennt, nicht in die EU-Kommission - auch wenn er alle Gesetze einhält und ausdrücklich bekundet, zwischen Amtspflichten und religiöser Überzeugung unterscheiden zu können. Für die EU-Kommission gelten Kriterien wie für den Kreml zu Zeiten der KPdSU. Mit der Toleranz ist es bei den Vertretern der neuen "Tugenden" schnell vorbei. Sind sie in der Mehrheit, dann brauchen sie keine Toleranz mehr. Sat.1-Ansager Thomas Kausch nannte das Spektakel auch noch eine Sternstunde der Demokratie. 


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