© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 46/04 05. November 2004

Der Film zum Spiel
H. P. Lovecraft trifft Erich von Däniken: Paul W. S. Andersons Kinofilm "Alien vs. Predator"
Werner Olles

Ridley Scotts Science-Fiction-Klassiker "Alien" darf man auch heute noch mit Fug und Recht als Höhepunkt des Phantastischen Films bezeichnen, weil er eine Geschichte visualisierte, wie sie noch nie in einem Film erzählt wurde. Seitdem ist ein Vierteljahrhundert vergangen, und das Hollywood-Kino, das zuallererst Genrekino ist, hat an der martialischen Spielart des SF-Horror zunehmend Gefallen gefunden. Diese überaus umfassende Gattung erzählt aber im Kern immer wieder die gute alte Geschichte von jemandem, der es in einem einsamen Haus, in einem dunklen Wald oder in der unendlichen Weite des Alls mit der Angst bekommt.

So jedenfalls war es bisher in aller Regel, doch seit dem Aufkommen der Video- und Computerspiele geht es längst um mehr als um den Schock, den Vampire, Werwölfe oder gigantische Wesen aus dem Weltraum oder aus den Tiefen der Erde hervorrufen. Gotischer Horror, erotische Anspielungen, pessimistische Zukunftsängste, die gesamte Repräsentation bekannter, aber verdrängter und abgestoßener Persönlichkeitsanteile von Aggressivität und Sexualität spielen heutzutage kaum noch eine Rolle.

Schon bald nachdem "Alien" als erstes großes Beispiel des SF-Horror-Subgenres Furore gemacht und eine Unzahl billiger Nachahmungen hervorgerufen hatte, verlangte das Publikum immer härtere Variationen. Damit wurde die Serialität zum wichtigsten Merkmal dieses Subgenres. Das galt auch für die Mitte der achtziger Jahre in den Kinos erschienene Gestalt des "Predator", jenes außerirdischen Monsters, das John McTiernan mit deutlichen Anspielungen auf den Vietnamkrieg präsentierte und effektvoll auf den Haudegen Arnold Schwarzenegger losließ. Allerdings fehlten bereits hier - im Gegensatz zu "Alien" - die sexual-psychologischen Akzente völlig. Dafür besaß das Monströse eine ansteckend dynamische, fast assimilierende Kraft.

Naturformen und Mechanik verschmelzen

In Paul W. S. Andersons Film "Alien vs. Predator", der filmischen Version eines vor allem bei Heranwachsenden beliebten Video-Computerspiels, treten wir nun immerhin wieder in eine - wenngleich ziemlich banalisierte - Form der düsteren Alptraumwelten des Schweizer Malers und "Alien"-Designers H. R. Giger ein. Zwar schickt die Industriegesellschaft in Gestalt des Milliardärs Charles Weyland (Lance Henriksen) sich diesmal nicht an, die Erde zu verlassen, um im interstellaren Raum die freie Marktwirtschaft zu etablieren, doch auch in der eisigen Antarktis lauert - das weiß der Horrorfan spätestens seit John Carpenters "The Thing" - unter- und außerirdisches Grauen. Eine technifizierte Produktion aus den Tiefen des Alls hat die Natur so in den Griff genommen, daß diese nur noch in vorausgeplanten mechanoiden Formen wachsen kann. In solchen Kombinaten, in denen Naturformen und Mechanik miteinander verschmelzen, gedeihen ganze Farmen von Monster-Setzlingen, die alsbald ausbrechen, um ihrer grausigen Bestimmung zu folgen.

Andersons Film verzichtet fast völlig auf konventionellen Okkultismus und Dämonenbeschwörung, verrät damit aber auch den mystischen Kern einer eigenständigen Bildsprache, die in der Lage ist, Ikonen zu produzieren. Er entwirft eine Jahrmillionen umspannende Chronik vormenschlicher Hochkulturen, die von einer außerirdischen Rasse auf der Erde gegründet wurden.

Ähnliche Ideen werden seit langem mit vollem Ernst in pseudowissenschaftlichen Bestsellern verfochten. Wenn die Südpol-Expedition hinter den riesigen Bergketten der Antarktis unterirdische Tempelanlagen fremdartiger Architektur entdeckt und immer tiefer in die Geheimnisse der historisch anmutenden Bauten und labyrinthartigen Gänge eindringt, lugen Erich von Däniken, H. P. Lovecraft und der schon erwähnte Giger in dieser klaustrophobischen, längst vergangenen Welt beinahe um jede Ecke.

Daß es jedoch höchst gefährlich ist, sich den unheiligen Überresten dieser versunkenen Nekropole auch nur zu nähern, erfährt die Crew schon recht bald. Und im "größten Duell aller Zeiten" - so die Werbung für den Film - steht der eigentliche Verlierer schon fest.

Wie Lovecraft in seiner Antarktis-Erzählung "Berge des Wahnsinns" (in der die letzten Überlebenden der Alten Rasse - pentagrammköpfige Pflanzenhybriden - auftauchen) die gesamte vormenschliche Geschichte der Erde schuf, und in "Der Schatten aus der Zeit" die zeitumspannende Perspektive der Großen Rasse zeigt, die ihr Bewußtsein durch die Zeiten hinweg projiziert und damit relativ unsterblich ist, baut auch Anderson auf die kognitive Dissonanz des kosmischen Grauens. Aber er beherrscht weder Lovecrafts dekadente Stilistik, noch schafft er es auch nur annähernd, die klinische, fast entrückte Drastik des psychoanalytisch ausgerichteten Original-"Alien" zu kopieren.

Mit dem Hervorbrechen des "Alien" aus dem Inneren des Menschen zerbrach seinerzeit nicht etwa irgendein lächerliches Tabu, sondern die gesamte ästhetische Ordnung und artifizielle Struktur des Genrekinos und der üblichen Sehgewohnheiten seiner Zuschauer. Das amorphe Gezücht, welches dem Zuschauer hier als Adepten der alten Monstrosität präsentiert wird, kann nicht einmal den vierdimensionalen Raum überschreiten, eigentlich eine der leichtesten Übungen extraterrestrischer Invasoren. Und als letzter Trick jener transkosmischen Existenzen wird die Serialität der Geschichte transzendiert, die Dissonanz wird blutig, aber letztlich erfolglos aufgebrochen.

Während Scotts "Alien", der eigentlich "Lovecraft versus Freud" heißen müßte, die Seherwartungen des Zuschauers einst drastisch, aber intelligent durchkreuzte, weil er die Naturgesetze bewußt übertrat und dadurch seine beunruhigende Wirkung erzielte, herrscht in Andersons Film von Anfang an der reine Eskapismus. So mag man denn zu deuten versuchen, welche Urängste sich in den furchterregenden Monstern manifestieren. Doch nicht einmal die schöne Sanaa Lathen, die zum Schluß mutterseelenallein im ewigen Eis zurückbleibt, vermag uns jenen Hauch schleichender Verderbnis zu vermitteln, der aus den Tiefen des Alls, dem Inneren der Erde und letztlich aus unserem eigenen Blut und unseren dunkelsten Träumen unheilvoll herandrängt.

Foto: Predator vs. Alien: Im "größten Duell aller Zeiten", so die Werbung für den Science-Fiction-Film, steht der eigentliche Verlierer schon fest


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