Epochal

Am 9. November 1989 ist es fünfzehn Jahre her, daß Günter Schabowski, seinerzeit Mitglied des Politbüros des Zentralkomitees der SED, auf einer internationalen Pressekonferenz in Berlin die neue Reiseverordnung der DDR bekanntgab. "Privatreisen nach dem Ausland können ohne Vorliegen von Voraussetzungen (Reiseanlässe und Verwandtschaftsverhältnisse) beantragt werden. Die Genehmigungen werden kurzfristig erteilt. Versagungsgründe werden nur in besonderen Ausnahmefällen angewandt", teilte Schabowski den verdutzten Journalisten mit. Auf die Frage, wann diese Regelung in Kraft trete, erklärte Schabowski nach einem kurzen Moment der Unsicherheit: "Nach meiner Kenntnis ... sofort, unverzüglich."

Schabowskis Pressekonferenz, die vom DDR-Fernsehen live übertragen wurde, löste einen Ansturm von Ost-Berlinern auf die Grenzübergänge aus, an denen sich tumultartige Szenen abspielten. Nachdem sich einzelne Grenzkommandeure dazu durchgerungen hatten, die Tore zu öffnen, kosteten noch in der Nacht zehntausende Menschen zum ersten Mal den Geschmack von Freizügigkeit. Mit diesem 9. November 1989 war die Mauer durchlässig geworden - und das Ende der DDR absehbar.

Das Jubeln, das Lachen, das Schlagen mit der Hand auf Trabbi-Dächer - es klingt für uns wie ein Echo nach, wenn wir uns an den glücklichsten Tag der Deutschen erinnern. Wir haben deshalb für diese Sonderseiten bewußt darauf verzichtet, die gängigen Agenturfotos zum Mauerfall zu drucken. Statt dessen ziert die Aufmacherseite ein Foto, das JF-Leser Fritz Kehrer wenige Tage nach dem epochalen Ereignis am Brandenburger Tor gemacht hat. Die übrigen Fotos auf diesen Sonderseiten stammen von der CD-ROM "Die Berliner Mauer 1989" des Fotografen Matthias Kupfernagel. Die einmalige Fotodokumentation enthält 1.475 Schwarzweiß-Bilder, aufgenommen von Ende Dezember 1989 bis März 1990, von der noch intakten Mauer. Gefördert wurde das Projekt mit Mitteln der Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur. Bezug der CD-ROM und weitere Informationen im Internet unter www.kupfernagel.de   oder E-Post: kontakt@fotografic-berlin.de 

Auf den folgenden Seiten ist ein gutes Viertel durch eine imaginäre Filmrolle abgetrennt. Die Aufnahmen in diesem Filmstreifen stammen aus einem in den Tagen nach dem 9. November 1989 von Hans-Eberhard Zahn in Berlin gedrehten Amateurvideo (siehe Seite 28). Darunter finden Sie die Zuschriften unserer Leser. Herzlichen Dank dafür!