© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 44/04 22. Oktober 2004

Klasse statt Masse
von Jörg Fischer

Rein marktwirtschaftlich betrachtet ist die Sache klar: Die EU-Kommission hat recht, das VW-Gesetz schränkt den freien Kapitalverkehr im EU-Binnenmarkt ein. Denn die 1960 in Kraft getretene Regelung beschränkt die Stimmrechte der VW-Aktionäre auf 20 Prozent und sichert so dem Land Niedersachsen mit 18,64 Prozent der VW-Aktien entscheidenden Einfluß auf den Autobauer. Das verhinderte bislang, daß ein in- oder ausländischer Investor VW übernimmt. Dieses eingeschränkte Stimmrecht halte den Kurs der VW-Aktien niedrig, behaupten Aktienanalysten. Was VW-Aktienkäufer allerdings beim Erwerb wußten, könnte man entgegenhalten.

Angesichts der Opel-Krise ist aber zu hoffen, daß der Bundeskanzler und Ministerpräsident Christian Wulff (wie einst Gerhard Schröder Mitglied im VW-Aufsichtsrat) in Brüssel für den Erhalt des VW-Gesetzes kämpfen werden. Die in der Weltwirtschaftskrise 1929 erfolgte Übernahme der Adam Opel AG durch General Motors (GM) ermöglichte zwar den Aufstieg der Marke, doch Opel bewahrte sich damals nicht nur den Namen, sondern behielt weitgehende Eigenständigkeit. Für den Global Player GM ist Opel inzwischen nur eine Marke von vielen. Deutsche oder europäische Besonderheiten werden seit Jahren in Detroit ignoriert - nicht solides Made in Germany, sondern Masse statt Klasse heißt die Devise. Das droht auch VW bei einer Übernahme. Allerdings: Wenn bei VW weiterhin lediglich Löhne und Autopreise, nicht aber die Qualität Weltspitze sind, wird auch das VW-Gesetz den Absturz der Wolfsburger nicht verhindern können.


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