© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 41/04 01. Oktober 2004

Frisch gepresst

Griechenland. Die sportlichen Ereignisse des Jahres 2004 haben die Aufmerksamkeit auf ein Land gelenkt, das bereits seit fast 24 Jahren EU-Partner ist. Doch die Kenntnisse in Deutschland sind oftmals auf Urlaubsbilder und eine Speisekarte beschränkt, die von lange zurückgewanderten "Gastarbeitern" in den siebziger und achtziger Jahren weitergegeben wurden. Dieser Mangel führt auch dazu, daß man sich hierzulande über falsch gemeldete Haushaltsdaten für den Euro-Stabilitätspakt echauffiert. Dabei bräuchte man nur die glänzend geschriebene Beschreibung der Korrespondenten Werner van Gent und Paul L. Walser über Land und Leute zu lesen, um hinter die Fassade von Rehakles, Ouzo und Akropolis-Platte zu schauen. Viele Hinweise auf die Geschichte begründen das liebenswürdige Bild einer Gesellschaft, in der das vielleicht nicht ganz so ernst gemeinte "Ìme Ellinas kai Chäso tin paróla mou - Ich bin Grieche und sch.... auf mein Wort" schon vor den Maastricht-Verträgen bei den EU-Partnern Berücksichtigung hätte finden sollen (Zimt in der Suppe. Überraschendes Griechenland. Rotpunkt Verlag, Zürich 2004, 272 Seiten, broschiert, 19,80 Euro).

Sowjetische Besatzung. Natürlich war es bis 1989 Tabu, über den sowjetischen "Befreier" und seine Besatzungspolitik Kritisches zu Papier zu bringen. Seltsamerweise setzte in der Zeit danach bis heute die vierzig Jahre versäumte Aufarbeitung dieses schrecklichen Kapitels nur zögerlich ein. In solchen Fällen sind es Regionalhistoriker, die diese Lücke ausfüllen. Exemplarisch für seine thüringische Heimat Mühlhausen belegt Manfred Thiele akribisch anhand vieler Quellen den stalinistischen Besatzungsterror. Unter verschiedensten Vorwänden - Zerschlagung des "faschistischen Staatsapparates", Angst vor "Werwölfen" oder die "gesellschaftliche Umgestaltung", die sich gegen Träger jegliches Eigentums richtete - wurden Mühlhauser erpreßt, verfolgt, verschleppt, gefoltert und ermordet. Thiele zeigt akribisch die sowjetische Installation eines Spitzelsystems auf, welches später fast übergangslos von Mielkes Denunziantenapparat übernommen wurde. Bis zum Mauerbau flohen unter diesen unerträglichen Bedingungen mehr als die Hälfte der Einwohner (Vae Victis. Mühlhausen unter sowjetischer Besatzungsdiktatur 1945-1953. Selbstverlag Thiele 2004, zu beziehen über Buchhandlung Niklas, Röblingstraße 14, 99974 Mühlhausen, 375 Seiten, gebunden, 22,50 Euro).


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