© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 41/04 01. Oktober 2004

Eine Stimme von der Insel
Maulheldentum: Hans-Olaf Henkel nimmt in seinem neuen Buch Martin Hohmann in Schutz
Thorsten Thaler

Hans-Olaf Henkel ist ein vielbeschäftigter, vielgefragter Mann. Der ehemalige Chef des Bundesverbandes der deutschen Industrie und heutige Präsident der Leibniz-Gesellschaft tritt in Fernsehdiskussionen auf, hält Vorträge, schreibt Bücher. Die haben dann so klingende Titel wie "Die Macht der Freiheit" (2000), "Die Ethik des Erfolgs" (2002) oder jetzt, frisch auf den Tisch, "Die Kraft des Neubeginns".

Neben hinreichend bekannten neoliberalen Positionen überrascht er in diesem neuen Buch mit längeren Passagen zum Fall des aus der CDU ausgeschlossenen Bundestagsabgeordneten Martin Hohmann. Nach einigen Ausführungen zum Begriff "Tätervolk", dem "Unwort des Jahres" 2003, kommt Henkel auf Hohmann zu sprechen: "Die Reaktion auf eine freie Meinungsäußerung, zumal die eines gewählten Parlamentariers, ist weit gefährlicher als das, was Hohmann geäußert hatte. Eigentlich scheint sie mir noch heute unbegreiflich", schreibt er. Und weiter: "Alle nahmen eine feste Formation an, standen wie in Reih und Glied. Als wären die Fundamente unserer Republik in Gefahr, mahnte und drohte und schäumte man. (...) Aus fast allen Stellungnahmen ging hervor, daß man sich nicht einmal die Mühe gemacht hatte, die Hohmann-Rede zu lesen. Man unterstellte ihm einfach das, was man glaubte, daß er gesagt haben müßte."

Das alles liest sich gut, provoziert aber doch die Frage, wo Hans-Olaf Henkel eigentlich von Ende Oktober bis Mitte November vorigen Jahres war - in jenen zwei Wochen also, in denen die Meinungsstürme über Hohmann am heftigsten hinwegfegten. Machte er Urlaub auf einer einsamen Insel in der Südsee? Nahm er an einer Arktis-Expedition teil? Oder war er krank und bettlägerig? Lag er vielleicht sogar im Koma? Irgendeine Erklärung wird es dafür geben müssen, warum Henkel damals so eisern schwieg und sich erst heute, aus der sicheren Distanz heraus, zum Maulhelden aufschwingt.


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