© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 41/04 01. Oktober 2004

Die Woche
Ausgepunktete Sieger
Fritz Schenk

Das wird den beiden großen
Parteien CDU und SPD keine zusätzlichen Sympathien bringen. Wie eine Woche zuvor bei den Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen, so auch diesmal bei den Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen sind sie vom Wähler abgestraft worden - aber in den anschließenden "Analysen" wurde das als "Sieg" verkauft. Mehr als sechs Prozentpunkte hat die CDU verloren, noch einmal gut zwei die SPD. Für die Sozialdemokraten war es sogar das schlechteste Ergebnis, das sie je in diesem Bundesland erzielt haben. Als "Sieg" haben das ihre Matadore gefeiert, weil die Klatsche nicht noch deftiger ausgefallen war. Wer sich so kaltschnäuzig über Sachverhalte hinwegsetzt, die Wähler für dumm verkauft, wird kein neues Vertrauen gewinnen.

Schlimmer noch ist die abermals gesunkene Wahlbeteiligung. Nur die Hälfte der Wahlberechtigten geht noch an die Urnen. Das heißt, selbst wer von den Kandidaten oder Parteien die Fünfzig-Prozent-Marke erreichen oder gar leicht überspringen sollte, hat noch gerade ein Viertel der Wahlberechtigten hinter sich. Damit sind sie nur noch Vertreter von Minderheiten. Aber selbst darüber sind sie glücklich. Gewählt ist gewählt, und was zählt, scheint allein noch der Erhalt von Posten und Mandaten, denn selbst die letzteren werden ja in größeren Kommunen inzwischen ganz ordentlich honoriert.

Da es bei Kommunalwahlen keine Fünf-Prozent-Klausel gibt, Bürgermeister aber direkt gewählt werden, wird es in manchen Gemeinden bunt zugehen. Im Ringen um Mehrheiten obsiegt da meist der faule Kompromiß. Auch das war ja kein unwesentlicher Grund für das Abstrafen der Großen und die geringe Wahlbeteiligung. Für den Bürger verschwinden die Parteikonturen: "Die sind doch alle gleich" ist die am häufigsten vorgebrachte Begründung für das Verhalten von Nichtwählern. Und viele sehen nicht mal mehr einen Sinn im Verabreichen von "Denkzetteln". Denn die läppischen zwei bis fünf Prozent für die politischen Extreme von rechts und links sind angesichts der niedrigen Wahlbeteiligung eigentlich nicht beachtenswert.

Obwohl vor allem die "politisch Korrekten" bei uns nicht müde werden, bei allen nur möglichen Gelegenheiten das "Nur keine amerikanischen Verhältnisse" herauszuposaunen, verweisen sie jetzt mit einem Mal auf Amerika, wo Wahlbeteiligungen um fünfzig oder weniger Prozent ja Usus sind. Gewiß: Nur mit dem Unterschied, daß es dort durch das System der reinen Mehrheitswahl immer zu klaren Mehrheits- und entsprechenden Regierungsverhältnissen kommt. In Deutschland hingegen bringen schwache Wahlbeteiligungen auch schwache Parlamentsmehrheiten und damit den Zwang zu Koalitionen mit sich. Nimmt man das Gewicht des Bundesrates hinzu, kommt eben das heraus, was wir in Deutschland seit Jahren haben: ein Regime des Stillstands und der Mauschelei.

Bremens Bürgermeister Henning Scherf (SPD) hat das sehr richtig erkannt und daher nicht unüberlegt vorausgesagt, daß wir demnächst wohl die "Große Koalition", also Rot-Schwarz, bekommen werden. Die sofortigen Dementis der etablierten Berliner Bundesparteigewaltigen aller Schattierungen beweisen nur, daß "der getroffene Hund bellt". Das kommende Frühjahr mit den Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen wird zeigen, ob und wie schnell es auch im Bund auf diesen Kurs zuläuft. 


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