© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 40/04 24. September 2004

Leserbriefe

Zu "Ende der Illusionen" von Doris Neujahr, JF 39/04

Platte Retourkutsche

Die Reaktionen der polnischen Seite auf die Vorgänge in den deutschen Vertriebenenverbänden sprechen Bände. Da fordert eine Seite, die Heimatvertriebenen, Entschädigung für einen Völkermord, der drei Millionen unserer Landsleute das Leben kostete, und unsere polnischen Nachbarn haben nichts besseres zu tun, als mit einer mehr als nur platten Retourkutsche zu kontern. Als ob sich die polnische Seite nicht während der Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg ausreichend bedient und eine Art unfreiwilliger Reparation von den Ostdeutschen einbehalten hätte.

Auf einen nicht ganz uninteressanten Sachverhalt weist das Verhalten der polnischen Parlamentsabgeordneten hin. Die polnische Seite scheint sich wohl, zumindest gefühlsmäßig, in der Defensive zu befinden. Anders ist die Art ihrer Reaktion nicht zu erklären. Kopieren und abkupfern, so führen sich nicht nur Leute auf, die phantasielos sind, sondern auch solche Zeitgenossen, die meinen, sich in einer Abwehrstellung zu befinden. Vielleicht haben die Abgeordneten des Sejms damit ja gar nicht so unrecht. Um dies in rechtlicher Hinsicht beurteilen zu können, sollte man die Worte der Richter abwarten, in moralischer Hinsicht ist die verteidigende Haltung des polnischen Parlaments allerdings nur allzu berechtigt. Ob dies ehrlicher Einsicht geschuldet ist, bleibt jedoch mehr als zweifelhaft.

Tobias Körfer, Köln

 

 

Zu: "Europas blutigster Konflikt", Interview mit Ekkehard Maaß, JF 38/04

Fragwürdige Theorien

Ich hoffe nicht, daß der Rubrik "Im Gespräch" kompetente Gesprächspartner langsam ausgehen und man deshalb auf solche skurrilen Leute wie Ekkehard Maaß zurückgreifen muß. Da wird eine ganze kostbare Seite der JF verschwendet, um diesem fanatischen Russenhasser ein Podium für seine fragwürdigen Verschwörungstheorien zu geben. Ich denke, jeder halbwegs intelligente Mensch wird die eklatanten Fehler der russischen Tschetschenien-Politik in den letzten zehn Jahren erkennen, aber die teilweise abstrusen Auslassungen des Ekkehard Maaß tragen nicht im mindesten zum Verständnis der Vorgänge in Tschetschenien bei und sind angesichts der Katastrophe von Beslan nahezu zynisch.

Rainer Rosenberg, Rellingen

 

 

Zu: "Vergeßt mir meine Traudl nicht!" von Jens Knorr, JF 38/04

Keine Flutung

Die Behauptung, daß durch die Sprengung des Nord-Süd Tunnels durch SS-Angehörige in Berlin zahllose Zivilisten ertrunken sein, entspricht nach Aussagen mehrerer Zeitzeugen nicht der Wahrheit. Diese Behauptung scheint sich auf Aussagen von Gerhard Boldt, Ordonnanzoffizier bei General Krebs, zu stützen. Dieser behauptete in seinem 1947 erschienenen Buch "Die letzten Tage der Reichskanzlei" daß der Befehl zum Fluten der Schächte von Hitler persönlich kam.

Dieser Darstellung wiedersprechen mehrere Personen. Hitlers Adjutant Otto Günsche gab eine eidesstattliche Erklärung ab, daß dieser Befehl nie erteilt wurde und eine Flutung nicht stattfand. Dies wurde auch vom Kampfkommandanten der "Zitadelle" Wilhelm Mohnke bestätigt. Beide Männer waren aufgrund ihrer Funktionen bei den Besprechungen im Führerbunker anwesend. Eine mögliche Flutung wurde zwar angesprochen, aber wegen der Belegung der Schächte durch die Bevölkerung und verwundeter Soldaten sofort wieder verworfen. Daß keine Zivilisten durch Wassermassen in den Schächten ertrunken sind, wurde weiterhin auch vom ehemaligen Senatsrat Fritz Kraft, verantwortlich für das U- und S-Bahnnetz, bestätigt.

Timo Ech, Braunschweig

 

 

Zu: "Nagelprobe islamischer Toleranz" von Karsten Jung, JF 37/04

Theologische Ungenauigkeiten

In dem verdienstvollen Artikel über die Lage der Christen in der Türkei findet sich Problematisches am Anfang: Daß Paulus den Artemistempel als Predigtforum genutzt habe, läßt sich aus der Apostelgeschichte nicht entnehmen. Die Aussage "Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben" ist Jesu Selbstdarstellung, nicht eine Erfindung aus der Zeit des Paulus in Ephesus. Das gleiche Mißverständnis wird durch die Formulierung "Aus dem Verkündiger Jesus von Nazareth wurde der verkündigte Christus" vermittelt. Die messianische Rolle Jesu ist nicht eine postume Erfindung der Heidenmission, sondern von Jesus selbst bestätigtes Bekenntnis des Petrus aus der Zeit der Evangelien, allerdings bis zur Auferstehung noch nicht öffentlich. Diese Kritik richte ich nicht gegen den Autor, da ich vermute, daß solche Ungenauigkeiten dem Zeitgeist theologischer Ausbildung entsprechen. Sollten aber tatsächlich theologische Fakultäten in Deutschland Feuerbach in den biblischen Kanon aufgenommen haben, dann wäre türkischen Christen dringend davon abzuraten, ihren theologischen Nachwuchs dort ausbilden zu lassen, und auch Christen in Deutschland müssen ihren Autoritäten die Gretchenfrage stellen.

Jochen Denzler, Knoxville, USA

 

 

Zu: "Nur eine Frage der Zeit" von Franz Schnell, JF 38/04

Verzweifeltes Gesundbeten

Die vor allem von den Türken und der USA gewünschte Aufnahme der Türkei in die EU wird von vielen vehement abgelehnt. Merkwürdigerweise treten gerade unsere Volksvertreter offenbar für dieses umstrittene Unternehmen ein. Ein Land wie die Türkei, aus dem zahlreichen Bürgern als politisch Verfolgten in verschiedenen EU-Staaten politisches Asyl gewährt wurde, scheint überallhin zu passen, aber keinesfalls in diese EU. Die Lobeshymnen für die Türkei als neues EU-Mitglied erinnern viel eher an verzweifeltes Gesundbeten als an ehrliche Überzeugung.

Hans Demmler, Memmingen

 

Schafzüchter und Elefanten

Über den EU-Beitritt der Türkei wird viel palavert und geschrieben. Merkwürdigerweise wird dabei übersehen, daß die EU-Führung derzeit nicht das Recht hat, mit außereuropäischen Staaten über einen Beitritt zu verhandeln.

Angenommen, man ist Mitglied eines Schafzüchtervereines mit dem Vereinsziel, die Schafzucht zu fördern. Wenn nun der Vorstand plant, auch die Elefantenzucht in fernen Ländern zu fördern, so ist er dazu nicht berechtigt. Er müßte dazu vorher die Vereinsmitglieder über eine Statutenänderung abstimmen lassen. Solange dies nicht der Fall ist, ist jeder Cent, der dafür ausgegeben wird, eine Veruntreuung der Vereinsgelder und ein Betrug an seinen Mitgliedern.

Dr. Walter Kofler, Innsbruck

 

 

Zu: "Geistige Wende zur CDU-Selbstkritik" von Bernd-Thomas Ramb, JF 37/04

Ursache für Staatskrise

Wenn Kohl damals sagte: "Sozial ist, wenn Staatsgelder ausgeschüttet werden", so ist dagegen nichts einzuwenden, da eingezahlte Steuern den Bürgern auf diese Weise wieder zugute kommen. Kriminell wird es nur, wenn diese Gelder geliehen sind. Kohl hat dies getan, indem er die sozialen Unterstützungszahlungen an die Menschen in den neuen Ländern "auf Pump" finanziert hat. Leider wird diese Tatsache viel zu wenig thematisiert; in ihr liegt die eigentliche Ursache für de gegenwärtige Staatskrise. Vordringliche Aufgabe ist es also, diese Schulden zu tilgen.

Arno Müller, Bad Rodach

 

 

Zu "Die stärkere Dosis" von Dieter Stein, JF 38/04

Vielleicht hilft NPD-Schock

Zu Recht macht Herr Stein den "Kampf gegen Rechts" dafür verantwortlich, daß von der Öffentlichkeit alles vom rechten Flügel der Union über die NPD bis hin zu Neonazi-Skinheads in einen Topf geworfen wird. Und während es gelang, ehrbare Rechte durch Androhung der Vernichtung ihrer bürgerlichen Existenz aus der Politik zu zwingen und ihre Parteien zu zerschlagen, ist die NPD mit der Faschismuskeule nicht so leicht zu schlagen. Sie steht dort, wo ihr die Vorwürfe egal sind, frei nach dem Motto: "Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich völlig ungeniert."

Dennoch ist nicht damit zu rechnen, daß das Protestpotential bald abnimmt. Nach der Reform ist vor der Reform. Angesichts des angerichteten Schadens bei Demographie, Zuwanderung und Wirtschaft ist Hartz IV erst der Anfang. Dies kann dazu führen, daß sich die NPD in einigen Ländern etabliert. Nicht schön, aber es geschieht der real existierenden 68er Bundesrepublik ganz recht. Und dies kann durchaus eine Chance sein.

Wenn das bundesrepublikanische System merkt, daß es eine gemäßigte Rechte erfolgreich unterdrückt und sich dabei die NPD eingehandelt hat, kann es sich nicht mehr leisten, Konservative auszugrenzen. Vielleicht kann nur ein NPD-Schock das Polit- und Medienkartell aufbrechen und zu einer gemäßigten rechten Partei oder zur Wiederbelebung der CDU Alfred Dreggers führen.

Markus Roth, Per E-Post

 

 

Zu: "Der Klügere spricht Deutsch", Interview mit Diethold Tietz, JF 36/04

Im Glashaus

Bei aller Wertschätzung für die Arbeit des Vereins Deutsche Sprache sollte man einen grundsätzlichen Unterschied nicht übersehen: Es ist jedem einzelnen überlassen, ob er Anglizismen verwenden und verpanschte Texte lesen will oder nicht. Dagegen ist die Rechtschreibreform ein Willkürakt des Staates, und ihre Bekämpfung ist geradezu Pflicht aller selbstbewußten Bürger.

Moritz Schwarz hat seinen Gesprächspartner sehr geschickt und völlig zu Recht mehrmals auf die Einseitigkeit der Vereinsziele und die nachweisbar rüde Abfertigung und Ausgrenzung der Rechtschreibreformgegner hingewiesen.

Was mich aber am Gespräch mit Diethold Tietz am meisten erstaunt, ist seine eigene fremdwortüberladene Redeweise: Sein Verein will "die Diskussion sensibilisieren" und sich "mit symbolischen Protestaktionen" sowie "konstruktiven Alternativ-Vorschlägen und kreativen Ideen profilieren". Statt einfach von Anglizismen zu sprechen, plustert er sie zum "Phänomen der Anglizismen" auf und führt sie zurück auf "Ignoranz und die Tendenz, sich anzubiedern". Für all dies könnte man deutsche Ausdrücke finden oder den Schwulst ganz weglassen.

Wer in einem solchen Glashaus sitzt, kann leicht auf die hilf- und haltlose Verschwörungstheorie verfallen, daß die Übernahme fremder Wörter "keine natürliche Veränderung, sondern Manipulation" sei. Darüber kann ein Kenner der deutschen Sprachgeschichte nur lächeln.

Theodor Ickler, per E-Post

 

 

Zu: "Den Dispatcher im Brodelbad ersäufen", JF 36/04

Unverständlich

Sie haben einen Auszug aus der Anglizismenliste abgedruckt, die der VDS-Arbeitskreis "Wörterliste" erstellt hat. Die Einzeleinträge sind überwiegend unvollständig wiedergegeben. Andererseits erwecken Sie mit der Widmung dreier Zeitungsseiten Aufmerksamkeit für die Bedrohung unserer Sprache und zudem den Eindruck, als ständen sie dem "Verein Deutsche Sprache" und seinen Zielen mit Sympathie gegenüber. Um so unverständlicher ist es, daß Sie den Abdruck dieses Auszuges mit einer Zeile überschreiben, die geeignet ist, diese Initiative der Lächerlichkeit preiszugeben. Die Unterzeile "Der Verein Deutsche Sprache empfiehlt die rigorose Ersetzung von Anglizismen", ist schlicht eine Falschmeldung. Im Begleittext der Liste heißt es dazu: "Die Ersteller der Anglizismenliste (....) enthalten sich deshalb jedweder Bevormundung oder Nötigung der Nutzer, die eine oder andere englische, amerikanische oder gar lediglich amerikanisierende Bezeichnung zu vermeiden - es werden lediglich Alternativen vorgeschlagen, die sich als brauchbar erwiesen haben."

Diese Richtigstellung ist insofern von Bedeutung, als Ihre falsche Darstellung Wasser auf die Mühlen von Abwieglern und Globalisierungsfanatikern leitet, die Sprachschützern gern den Vorwurf des Rigorismus machen - ihre beliebteste Diffamierung besteht in der Zitierung von Absurditäten wie "Gesichtserker" für "Nase" und "Knalltreibling" für "Motor". So kommt der Verdacht auf, daß Sie mit Ihrer Aktion eine Symbiose mit dem VDS und seinen Zielen suggerieren, um opportunistisch auf den Zug "Abwehr der Anglisierung unserer Sprache" aufzuspringen, der erkennbar mehr Fahrt aufzunehmen beginnt.

Gerhard Junker, Friedrichshafen

 

 

Zu "Rechtsfrieden als Drahtseilakt" von Ekkehard Schultz, JF 38/04

Sture Haltung

Beim Tag der Heimat des Bundes der Vertriebenen in Berlin sprach der Tscheche Bohumil Dolezal die einfache Wahrheit aus: Einseitige Entschädigungsleistungen und Entschuldigungen haben "keine wirkliche Versöhnung" gebracht. Er hält eine Milderung - nicht Heilung - der Folgen des Unrechts der Vertreibung für wünschenswert und möglich.

Genau das ist das Ziel der Preußischen Treuhand, die es den rückkehrwilligen Vertriebenen ermöglichen will, verfallende Gebäude und brachliegende Felder wieder in Besitz zu nehmen und so zum Wiederaufbau ihrer Heimat beizutragen. Dabei hat niemand die Illusion einer "vollkommenen Wiedergutmachung", wie Dolezal zu befürchten scheint. Wenn aber die Vertreiberstaaten weiter wie bisher jedes Gespräch über Privateigentum und Rückkehr von Vertriebenen stur ablehnen und immer wieder zwar Geld wünschen, Deutsche jedoch unerwünscht sind, dann ist nicht zu sehen, wie Rechtsfrieden einkehren kann.

Dr. Reinhard Gnauck, Mainz

 

 

Zu "Die Identität wahren" von Thomas Paulwitz, JF 36/04

Gesichtserker

Der Beitrag muß in mehrfacher Hinsicht zum Widerspruch herausfordern. Allem voran: Die deutsche Sprachsituation hat mit der des klassischen Griechenlands gar nichts zu tun. Griechenland besaß eine Hochkultur und vorbildliche Kunst, auch mit kolonialer Ausbreitung. Bedeutung und Ausbreitung der Sprache ergaben sich daraus wie von selbst. Letzteres galt in hohem Maße auch unter der pax romana. Fehlen Vorbild- und Führungsfunktion eines Landes, ist auch mit der Anwendung und Verbreitung der Sprache "kein Staat zu machen".

Sprachgesellschaften können da ins Blamable abgleiten, wie uns das 17. Jahrhundert zeigt, indem man beispielsweise Nase durch "Gesichtserker" zu ersetzen dachte. Einige Beispiele des VDS liegen auf dieser Linie. Man sollte Auswüchse von der Vorbildfunktion eines englischen Terminus zu unterscheiden suchen. Übrigens hat das letzte Quartal des 19. Jahrhunderts die weite Verbreitung französischer Wörter "weggeblasen". Hinter "Sprich und schreibe deutsch" stand die führende Rolle des Deutschen Reiches auf fast allen Gebieten.

Ganz und gar irrt Paulwitz, wenn er das Vordringen der Mundart in der Schweiz oder sprachlichen Separatismus in Österreich mit der Rechtschreibreform in Zusammenhang bringt. Letztere Eigenbrötelei gibt es bereits seit Jahrzehnten. Der Kurzschluß wird zwar auf Seite acht aufgehoben, dennoch zeigt der Beitrag, in welcher Gemeinschaft sich die JF inzwischen befindet. Wie die Springer-Presse nimmt man es mit der Wahrheit nicht mehr so genau.

Günther Pagel, Achim-Baden

 

 

Zu: "Eine seltsame Heldenverehrung" von Claus-M. Wolfschlag, JF 37/04

Zerstörte Identität

Man fragt sich, ob unser Land ein Irrenhaus geworden ist. Die Zerstörung der deutschen Identität läßt jede Unmöglichkeit möglich erscheinen. Die Mörder aus der Luft werden geehrt, die Gemordeten interessieren nicht. Die Denkmäler der Soldaten, die für ihr Vaterland kämpften und starben, werden geschändet, dafür Denkmäler für diejenigen errichtet, die ihre Kameraden im Stich gelassen oder sie verraten haben. Dabei will ich hier nicht über einen Kamm scheren: Unter den Deserteuren gab es auch Männer, die redlichen und zu ehrenden Motiven folgten, aber es gab auch viele andere.

Hans-Heinrich Klotsche, Aachen

 

 

Zu: Leserbrief "Opferzahlen zu hoch" von Markus Krämer, JF 40/04

Zahlen im Standardwerk

Leser Markus Krämer schreibt, die Zahl von 13.000 Ermordeten während des "Bromberger Blutsonntags" sei von allen renommierten Sachkennern mit Nachdruck zurückgewiesen worden. Dies ist unzutreffend. Diese Zahl wurde und wird in einem Großteil der Nachkriegsliteratur als gültig angenommen. Sie findet sich unter anderem auch im mehrbändigen Standardwerk des Militärgeschichtlichen Forschungsamts der Bundesrepublik: "Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg".

Stefan Scheil, per E-Post


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