© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 40/04 24. September 2004

Feindliche Brüder
Neues Format, alte Inhalte: Die Zeitung "Junge Welt"
Ekkehard Schultz

In den letzten Jahren war es eher still um das ehemalige Zentralorgan der Freien Deutschen Jugend in Mitteldeutschland, die Junge Welt (JW), geworden. Nun macht die JW, die heute statt der einst ca. 1,5 Millionen Mitglieder der DDR-Staatsorganisation nur noch etwa 14.000 Personen des äußersten linken Spektrums täglich bedient, wieder einmal auf sich aufmerksam: Mit Hilfe der Kampagne "Angst vor Veränderung? - Wir können auch stärker!" soll den Lesern die Umstellung vom bisherigen Hamburger auf das größere Berliner Format schmackhaft gemacht werden.

Dabei stand noch zu Jahresbeginn das Organ kurz vor dem endgültigen Aus: Im Januar konnten mehrere Ausgaben nicht erscheinen, weil die bisherige Druckerei im Berliner Stadtteil Treptow zum Jahresende 2003 geschlossen werden mußte und es der Redaktion nicht gelang, für adäquaten Ersatz zu sorgen. Die Interims-Lösung drohte das ohnehin schmale Budget endgültig zu sprengen. Somit war eine intensive Suche nach einem neuen Produktionsstandort unerläßlich.

Die Umstellung des Formates am 20. September, die mit dem Wechsel zur Union-Druckerei verbunden ist, wird von JW-Geschäftsführer Dietmar Koschmieder im Sinne der historischen Kontinuität interpretiert: Schließlich war die 1947 gegründete Zeitung bereits in den ersten Jahren ihres Bestehens in diesem Gewand erschienen. Er verschwieg dabei allerdings, daß in jener Zeit auch die Sonderausgaben produziert wurden, die das Organ jede Glaubwürdigkeit kosteten: In Massenauflagen von mehreren Millionen Exemplaren betrieb die Junge Welt Propaganda der übelsten Form unter anderem gegen angebliche "Verschwörer" in Kirchen und insbesondere die Junge Gemeinde. Der angebliche "Volkswille" war der damaligen Regierung natürlich Programm: Sie verboten kurzerhand die "angloamerikanische Tarnorganisation" (Originalton JW).

Daß allerdings Koschmieder auf die konkrete Frage nach den Inhalten der neuen Jungen Welt wenig einfällt, vermag doch etwas zu verwundern. Die Einführung neuer Rubriken soll erst in den kommenden Monaten erfolgen. Vorerst wird der größere Umfang für die Erweiterung von Serviceangeboten wie dem Abdruck des Fernsehprogramms und der Meldung über die Wetteraussichten der nächsten Tage genutzt werden; was bei der Klientel eher Gedanken an die Pflege des Familiensinns als an revolutionäre Umformungen hervorrufen dürfte.

Andererseits darf nicht vergessen werden, daß der letzte Versuch der Jungen Welt, sich mit Hilfe der Gründung einer Neuen Rheinischen Zeitung in Köln inhaltlich ins Gespräch zu bringen und dem Ost-Organ (über zwei Drittel der Abonnenten wohnen in Mitteldeutschland) neue Leserschaft aus dem Westen zuzuführen, nach einem halben Jahr kläglich scheiterte. Eine unmittelbare Folge des Fiaskos war, daß die Hilfsaufrufe zur Gewinnung von neuen Abonnements immer dramatischer klangen und in immer kürzeren Abständen folgten. Besonders negativ machte sich in diesem Zusammenhang die 1997 erfolgte Spaltung der Zeitung bemerkbar: Die aus einer damaligen Redaktionsbesetzung und dem Tauziehen zwischen Linksradikalen aus West- und Mitteldeutschland resultierende Gründung der Jungle World (die JF berichtete) - die heute noch existiert, aber wie die JW um das Überleben kämpft - blockiert heute ebenso die Chancen der JW auf Westausdehnung, wie umgekehrt die Jungle World (über 80 Prozent der Abonnenten stammen aus den alten Bundesländern) in Mitteldeutschland nie richtig Fuß fassen konnte. So könnte es geschehen, daß sich die "feindlichen", aber keineswegs "verfeindeten" Brüder am Ende das Wasser endgültig gegenseitig abgraben.

Vor allzu schnellen Prognosen über die Lebensdauer der Jungen Welt sollte man sich allerdings hüten. Die Zeitung wird nicht nur regelmäßig in der bürgerlichen Presse zitiert, wie Koschmieder stolz in einem Interview anmerkt.

Weitaus wichtiger ist die Funktion des Blattes im "Kampf gegen Rechts". Immer wieder werden Artikel aus der Jungen Welt als vermeintlich glaubwürdige Quellen unter anderem auf den Internetseiten www.netzgegenrechts.de oder www.haga-lil. com präsentiert. Damit wird der Eindruck erweckt, daß sich das Blatt um Chefredakteur Arnold Schölzel, die ehemalige PDS-Bundestagsabgeordneten Ulla Jelpke und den in Reue zurückgekehrten altlinken Protagonisten Jürgen Elsässer an ganz gewöhnlichen journalistischen Maßstäben orientieren würde. Indes sprechen nicht nur die täglichen Inhalte, sondern auch die eigenen Angaben Koschmieders, der sein Organ als "radikal links" und den Zweck des Erscheinens als ständigen Aufruf zur "aktiven Veränderung der bundesrepublikanischen Gesellschaft" definiert, eine deutlich andere Sprache.


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