© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 39/04 17. September 2004

Frisch gepresst

Oskar Lafontaine. Privatier und Provokateur - mit dieser Überschrift beschreibt der Biograph Joachim Hoell in seinem letzten Kapitel den saarländischen SPD-Politiker Oskar Lafontaine. In dieser Funktion hat gerade in den vergangenen Wochen der "Napoleon von der Saar" sich selbst bei seinen Genossen nicht unbedingt beliebter gemacht. Nicht nur, daß seine Auftritte bei den Anti-Hartz-IV-Demonstrationen in den jungen Ländern für Ärgernis sorgten. Seinen Bocksprüngen wurde auch noch die schmähliche Niederlage seines Landesverbandes unter Führung des farblosen Heiko Maas angelastet. Und wie schon oft wird Lafontaine bereits wieder in das politische Nirwana abgeschrieben. Doch daß mit seiner zur Schau getragenen Koketterie mit einer Linkspartei das letzte Kapitel geschrieben wurde, dürfte bei Betrachtung seiner Biographie unwahrscheinlich anmuten. Der sowohl mit 33 Jahren jüngste Oberbürgermeister Deutschlands als auch seit 1985 jüngste Ministerpräsident scheiterte 1990 als einheitskritischer Kanzlerkandidat haushoch gegen Helmut Kohl. Doch nur fünf Jahre später konnte er sich gegen Rudolf Scharping in einer Kampfabstimmung als SPD-Vorsitzender durchzusetzen ("Oskar, manches hat bitter wehgetan."). Unter seiner Maßgabe wurde das Kabinett Kohl fast bis zur Handlungsunfähigkeit blockiert, bis er als wichtigster Mann in Schröders Kabinett 1999 gleich wieder den Büttel hinschmiß. Danach saß er mit Peter Gauweiler - Stadler und Waldorf gleich - in seiner Bild-Loge, um dem Ex-Chef immer wieder Stöcke zwischen die Beine zu werfen. Hoells kurzweilige Biographie hätte insgesamt eine gehörige Portion mehr Distanz sicher nicht schlechtgetan (Provokation und Politik. Oskar Lafontaine. Eine Biographie. Dirk Lehrach Verlag, Braunschweig 2004, 225 Seiten, broschiert, 19,80 Euro).

 

Kriegerdenkmale. In den vergangenen Jahren sind Denkmale für gefallene Gemeindemitglieder oder Angehörige einer besonderen Gruppe immer mehr von einem Gedächtnisort für die Trauer der Zeitgenossen um die Toten zu einem geschichtlichen Politikum geworden. So wird in den heutigen Tagen so manches Denkmal abgeräumt, umgewidmet oder mindestens mit Kommentaren versehen, die die Distanz zu historischen Bewertungen dokumentieren sollen. Dies gilt hauptsächlich für die Gefallenendenkmäler zum Ersten Weltkrieg, die in großer Zahl in den zwanziger und dreißiger Jahren entstanden sind. Für die wenigen originär für den Zweiten Weltkrieg geschaffenen Denkmalen gilt die Kritik in verstärktem Maße, da sie heutige Interpretationsmuster von "Opfern" und "Tätern" noch augenfälliger stören. Die Potsdamer Historiker Julius H. Schoeps und Dieter und Kristina Hübener haben dieses Phänomen exemplarisch in Brandenburg untersucht. Dort hat die politisch doktrinierte Uminterpretation bereits in der DDR massiv stattgefunden und ist durch eine sowjetische und sozialistische Gedächtniskultur ersetzt worden (Kriegerdenkmale in Brandenburg von den Befreiungskriegen 1813/15 bis in die Gegenwart, Be.bra Wissenschaft Verlag, Berlin 2004, 239 Seiten, gebunden, mit CD, 24,90 Euro).


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