© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 37/04 03. September 2004

Zeitschriftenkritik: Fleckenbühler Nachrichten
Jeder ist selbst verantwortlich
Werner Olles

Herausgeber der zweimal jährlich erscheinenden Fleckenbühler Nachrichten ist die Suchthilfe Fleckenbühl e.V., in der Süchtige zusammen leben und arbeiten. Anders als herkömmliche Therapieeinrichtungen ist sie jedoch eine Selbsthilfegemeinschaft, die sich autonom organisiert und verwaltet, und daher ohne Kostenträger und ohne angestelltes Fachpersonal auskommt. In zwei Einrichtungen, im oberhessischen Cölbe-Schönstadt und seit 2003 auch in Frankfurt am Main können Drogensüchtige, Medikamentenabhängige, Alkoholiker und andere Süchtige jederzeit ohne Wartezeiten, Altersgrenzen oder Kostenübernahmeerklärungen aufgenommen werden. Nicht zuletzt finden hier auch süchtige Eltern mit ihren Kindern, für die es ein eigenes Kinderhaus mit erfahrenen Erzieherinnen gibt, Hilfe zur Selbsthilfe.

Die einzige Voraussetzung, hier aufgenommen zu werden und Wohnung, Kleidung, Arbeit und Essen zu bekommen, ist der ehrliche Wille, ohne Suchtmittel, das heißt ohne Drogen, Alkohol, Medikamente und Tabak leben zu wollen und auf Gewalt und Gewaltandrohung zu verzichten. Eine zeitliche Begrenzung des Aufenthalts ist nicht vorgesehen, empfohlen werden jedoch mindestens zwei Jahre, um zu physischer und psychischer Stabilität, Gemeinschaftsfähigkeit, sozialer und beruflicher Kompetenz und Unabhängigkeit zu gelangen und wieder ein selbstverantwortliches Leben führen zu können.

Dazu dienen auch verschiedene Zweckbetriebe wie eine Bäckerei, ein Umzugs- und Transportunternehmen, ein Buffet- und Bio-Partyservice und eine nach biologisch-dynamischen Richtlinien betriebene ca. 240 Hektar große Landwirtschaft, deren Produkte im eigenen Hofladen und in den Marburger und Frankfurter Filialen verkauft werden. In diesen Betrieben können die Süchtigen auch eine Berufsausbildung machen oder sich weiter qualifizieren. Zudem wird mit den Überschüssen aus diesen Tätigkeiten und den Betrieben - neben Spenden und staatlichen Zuschüssen - der Etat der Einrichtung gedeckt.

Leitgedanke der Suchthilfen Fleckenbühl und Frankfurt, die sich vor etwa zehn Jahren aus der Berliner Suchtselbsthilfeorganisation "Synanon" entwickelten, ist, daß jeder für seine Sucht, aber auch für seine Nüchternheit selbst verantwortlich ist. Es geht daher zunächst um die Anerkennung der Realität und letztlich um völlige Abstinenz. So werden Vorträge und Gesprächs- und Diskussionsrunden zum Thema Drogen, Alkohol und Sucht organisiert.

Vor dem Hintergrund, daß Kinder heute bereits mit zehn Jahren Zigaretten rauchen, mit zwölf Alkohol konsumieren und mit 14 Jahren Cannabis rauchen und die Medien zum Anstieg der Konsumentenzahlen beitragen, indem zum Beispiel der Moderator einer Jugendsendung den Genuß von Haschisch verharmlost, sind solche Informationsveranstaltungen dringend notwendig.

Kontakt: Suchthilfe Fleckenbühl e.V., Hof Fleckenbühl, 35091 Cölbe-Schönstadt. Internet: www.suchthilfe.org


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