© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 36/04 27. August 2004

Leserbriefe

Zu: "Der große Schiffbruch" von Dieter Stein, JF 34/04

Muttersprache ist Kulturgut

Die Ankündigung der Verlage Spiegel und Springer, die "Schlechtschreibreform" rückgängig zu machen, wirkt befreiend wie lange nicht mehr. Die Sprache gehört uns, dem Volk und nicht einem vormundschaftlichen Staat, wie diese bürokratische Fehlleistung mit ihren sinnentstellenden Getrenntschreibungen, Kommaregeln und Worttrennungen nahegelegt. Ein Beitrag zur weiteren Entfremdung von der eigenen Muttersprache. Daher sollten möglichst bald und zahlreich andere Verlage dem erfreulichen Beispiel folgen. Im Interesse der Verständlichkeit und Akzeptanz des hohen Kulturgutes "Muttersprache", das es behutsam zu hegen und zu pflegen gilt.

Reimer Göttsching, Bonn

 

Sprache entwickelt sich selbst

"Die Sprache hat sich immer weiterentwickelt. Sprachwandel hat es immer schon gegeben." Mit diesen oder ähnlichen Worten begründete Doris Ahnen in den vergangenen Wochen immer wieder ihr Festhalten an der Rechtschreibreform. Bei aller öffentlichen Kritik an Ahnen stelle ich fest: Die Behauptungen der Ministerin stimmen, ihre Schlußfolgerungen leider nicht. Wie sie sagt, hat sich die Sprache immer weiterentwickelt. Dies bedeutet: Es geschah von selbst, für die Benutzer der Sprache unmerklich; eben nicht aufgrund eines finalen Beschlusses der bildungspolitischen Elite. In letzterem Fall müßte es doch heißen: "Die Sprache wurde immer weiterentwickelt." Wenn beispielsweise Dialekte aussterben oder Angliszismen in den alltäglichen Sprachgebrauch Einzug halten, sind dafür keine gesetzlichen Bestimmungen, sondern gesellschaftliche Transformationen verantwortlich. Sprachwandel geht ebenso wie alle Gewalt vom Volk aus und ist keine Sache von Beamten oder sogenannten Bildungspolitikern. Das muß auch für die Rechtschreibreform gelten. Werden neue Rechtschreibregelungen von der Obrigkeit befohlen, ist das kein Sprachwandel. Es ist nicht mehr als ein Gesetz, an das man sich nach Bedarf hält oder eben nicht. 

Stephan Lorse, Trier

 

 

Zu: "Zugeständnisse von allen" von Doris Neujahr, JF 34/04

Schlechtes Gewissen überall

Das für die Polen festgestellte "lange nagende, kollektive schlechte Gewissen", residiert leider nur im Unterbewußtsein, ist aber genauso bei den Tschechen zu finden. Würden sich beide zu ihrer Schuld bekennen, genauso, wie sich die Deutschen rückhaltlos und wiederholt zu ihrer Schuld bekannten (und offensichtlich nicht aufhören können damit), wäre ihr Gewissen erleichtert und der Weg zum Miteinander geöffnet. Das schlechte Gewissen der Tschechen rührt aber auch von dem Bewußtsein, überreagiert zu haben. Ohne Zweifel wurden die Tschechen in ihrem Nationalstolz zutiefst verletzt, haben Unrecht, materiellen und ideellen Schaden erlitten. Dies alles steht aber in keinem Verhältnis zur entschädigungslosen Enteignung und Vertreibung von über drei Millionen Staatsbürgern deutscher Nationalität; von den für straffrei erklärten Morden und Brutalitäten ganz zu schweigen.

Dr. Erich Pillwein, Aichwald

 

Alle Wunden sind frisch

Was sich sowohl der deutsche Bundeskanzler als auch manche polnischen Politiker und Historiker aus beiden Ländern gegenüber den Opfern beider Seiten erlaubt haben, genau davon kann man sich nur in Scham abwenden. Hier wurden wieder einmal Menschen aus beiden Völkern, denen unglaubliches Leid widerfahren ist, instrumentalisiert. Sie wurden benutzt, um die unnötig ideologisierten Konflikte bezüglich des Zentrums gegen Vertreibungen und die Entschädigungen für die Heimatvertriebenen mit immer neuer Munition zu füttern.

Warum reagieren denn deutsche und polnische Politiker dermaßen aufgeregt auf die Entschädigungsforderungen deutscher Vertriebener und die geplante Errichtung einer Gedenkstätte, wo an einen Völkermord gedacht werden soll, der drei Millionen Todesopfer forderte? Ich höre immer, die Wunden der Polen seien noch zu frisch. Ja, wie frisch sind dann die Wunden der Heimatvertriebenen? Der wahre Grund ist - denke ich - der, daß die polnische Seite nicht bereit ist, in die Abgründe ihrer Geschichte zu blicken. Man hat sich in den letzten 50 Jahren sehr behaglich in der Rolle des Opferlamms eingerichtet..

Daß deutsche Achtundsechziger den Heimatvertriebenen ablehnend gegenüberstehen, erstaunt noch weniger als die Haltung der polnischen Seite. Würden Positionen z. B. des BdV mehrheitsfähig, dann bräche eine ganz wichtige Stütze des von diesen ehemaligen studentischen Revolutionären inszenierten Geschichtsbildes weg. Der durch tatsächliche oder auch durch erfundene deutsche Untaten genährte Haß auf das eigene Volk und auf die eigene Geschichte würde sich nicht mehr so einfach, vor allem in Schulen, erklären lassen.

Tobias Körfer, Köln

 

Kein Kanzler aller Deutschen

Schröders Rede in Warschau waren Peitschenhiebe gegen Millionen Vertriebenen aus ihrer seit Jahrhunderten angestammten schlesischen Heimat. Er versicherte den Polen, daß die Vertriebenen keinerlei Forderungen an Polen zu stellen haben. Eine unverschämte Beleidigung von uns Vertriebenen, die wir alles verloren haben. Kein Wort, daß diese brutale Vertreibung gegen das Völkerrecht verstößt. Schlimmer noch, er versicherte den Polen, daß in Berlin keine Erinnerungsstätte der Vertreibungen geben wird. Er wird das mit allen Mitteln verhindern. Für das Leid und deren Schicksale hat Herr Schröder kein Verständnis.

Man baut fußballfeldgroße Mahnmale, Denkmäler für Zigeuner, Homos und Deserteure. Eine Erinnerungsstätte für 15 Millionen Vertriebenen, von denen 3 Millionen ermordet wurden, verhungert sind oder ertranken, fehlt bis heute. Herr Schröder, sie sind schon lange nicht mehr Kanzler aller Deutschen.

Manfred Heidrich, Wetzlar

 

Zugeständnisse von allen

Ist es falsch, wenn man daran zweifelt, daß wir einen Kanzler und überhaupt mehrheitlich Politiker haben, die man von Selbstverständnis und Aufgabe her mit dem Adjektiv "deutsch" versehen kann? Denn wäre dem so, wäre die schändliche Vertreibungsproblematik längst Vergangenheit. Ein Vertreibungszentrum hätten wir schon seit vielen Jahren, und alles Unrecht, wo und von wem auch immer begangen, läge offen vor allen Augen und böte das Fundament echter Versöhnung.

Hätten wir mehrheitlich Medien, die sich objektiv auch des an Deutschen begangenen Unrechts verpflichtet gefühlt und sich nicht unter das Joch der Political Correctness hätten zwingen lassen, dann gehörten die Vertreibungsverbrechen wie der Holocaust zum Wissen und der historischen Erfahrung der Nation.

So aber ruft die Vertreibung der Deutschen bei der heutigen Mehrheit nur ein Schulterzucken hervor, sie weiß von ihr fast nichts oder doch nur äußerst wenig und ist selten in der Lage, die Vertreibung historisch zutreffend einzuordnen und ihre vielen Opfer zu beklagen.

Klaus Rufach, Kerpen

 

 

Zu: "Den Blick für die Realitäten verloren" von Paul Leonhard, JF 34/04

Verzweiflung

Vielleicht werden manche Bürger so verzweifelt sein, daß sie nur noch einen Ausweg sehen: eine Bank zu überfallen oder sich umzubringen.

Erwine Lehming, Köln

 

 

Zu: "Touristen sind schlauer" von Ronald Gläser und Steffen Königer, JF 34/04

Läßliche Sünden

Es kann nicht verwundern, daß so wenig Deutsche etwas genaues über die Hintergründe des Mauerbaus und ihren Fall wissen. Schließlich galt vor allem den linken Intellektuellen in diesem Land die DDR positiver, weil vermeintlich antifaschistisch, auf jeden Fall aber mit wissenschaftlich begründbarer Ideologie. Alles, was an Verlusten in bezug auf die Freiheit der dort lebenden Menschen zu beklagen war, galt diesen Gedankenakrobaten als unvermeidliches Opfer. Demzufolge konnte die brutale Wirklichkeit dieser zweiten Diktatur in Deutschland nicht wirklich als Gegenargument dienen. Dieser gigantische Laborversuch am lebenden Objekt war ein Faszinosum, und das Verhindern der Flucht der Versuchskaninchen eine läßliche Sünde. Diente sie doch dem großen Ziel. Entsprechend sieht der Lehrplan im Fach Geschichte auch aus. Sorgten die Umerziehung nach dem Krieg und nicht zuletzt die 68er Bildungsreformer dafür, daß den Deutschen nahezu jeglicher Stolz auf die positiven Leistungen ihrer Nation ausgetrieben wurde, so gelingt es letzteren mit der Erinnerung an die Verbrechen des Kommunismus auf deutschem Boden gleichfalls.

Daniel J. Hahn, Eichenau

 

Unwissen gewohnt

Schockieren können einen die Umfrageergebnisse der JF zum Thema Mauerfall nicht mehr. Man ist skandalöses Unwissen längst gewohnt, und das überall. Daß ausgerechnet Schülerinnen aus meinem Heimatkreis "den Vogel abschossen", stimmt mich dennoch nachdenklich. Betrachtet man dann aber den masochistisch-oberflächlichen Geschichtsunterricht der einem heute in der Schule vorgesetzt wird, kann man fast schon Verständnis für geschichtliches Desinteresse entwickeln. Betrachtet man einige Geschichtsbücher, so scheint es fast als bestehe die Geschichte aus ein paar Jahrzehnten, in denen noch dazu die Rollen so klar verteilt sind, als entstamme das Geschehene der Feder eines Drehbuchautors in Hollywood. Andere historische Ereignisse oder gar andere Epochen kommen oftmals zu kurz und verkürzen den geschichtlichen Horizont eines durchschnittlich interessierten Schülers erheblich auf die erste Hälfte dieses Jahrhunderts und insbesondere die zwölfjährige NS-Herrschaft.

Die Erinnerung an den Mauerfall und andere positive Ereignisse verblassen da mehr und mehr bis sie in den Köpfen der Bevölkerung endgültig zum Event verkommen. Verstärkt wird dies noch durch die hedonistische Spaßgesellschaft die Momentismus und Geschichtslosigkeit im Überfluß produziert. Und dies leider auch bei Volksvertretern.

Fabian J. Flecken, per E-Post

 

 

Zu: "Die Herrschaft der Wenigen" von Doris Neujahr, JF 33/04

Ungewollt und ungewählt

Die Ablehnung einer Volksabstimmung zur EU-Verfassung durch SPD und CDU gibt Anlaß zum Nachdenken: Was unterscheidet uns eigentlich von einer Diktatur? Nur daß wir unsere Diktatoren in Abständen neu bestimmen dürfen und die Zwischenzeiten rechtlos sind? Das ist natürlich etwas übertrieben, aber im Grundsatz auch nicht falsch. Hinzu kommt, daß wir von Personen regiert werden, die wir zu großen Teilen nicht gewollt und nicht gewählt haben. Selbst in den Parlamenten sitzen Volksvertreter, die nicht von der Mehrheit getragen sind. Sollten wir nicht alle daran interessiert sein, daß der sogenannte "Volkssouverän" wenigstens in grundsätzlichen Entscheidungen zu Worte kommt und ihm doch ein bißchen fundamentaler Demokratie zugestanden wird?

Wolf Seckau, Pirmasens

 

 

Zu: "Der Ausverkäufer" von Konrad Pfinke, JF 33/04

Fäkalästhethik

Schlingensief meinte in einem Interview des Bayerischen Rundfunks, die erarbeitete Bühnenrealisierung sei besser, als wenn er einen nur auf die Bretter scheißen ließe. Wie recht er hat. Man sollte diesen fäkal-ästhetischen Dekonstruktivismus im Sinne eines Schlüsselsatzes verstehen. Sein Multimediaspektakel mit dem Ziel, das Gesamtkunstwerk zum multikulturellen Kaspertheater umzufälschen, ist exkrementelles Surrogat. Insofern wäre ein stinkender Haufen primitivdidaktisch, also künstlerisch, wirkungsvoller gewesen. Dem inzwischen offenbar endgültig senil gewordenen Wolfgang Wagner diesen Schmarrn als Avantgarde zu verkaufen, war heuer das einzige Kunststück.

Helmut Engelmann, Johannesberg

 

 

Zu: "Bestens versorgt mit dem Staatsvertrag" von Ronald Gläser, JF 33/04

Das Volk weiß nichts

Der sehr gut recherchierter Artikel sollte unbedingt in das Internet gestellt werden. Die breite Bevölkerung weiß doch gar nichts über die Zusammenhänge. Sie wird zahlen, ob sie mit den Programmen zufrieden ist/sind oder nicht. Nur Hartz IV wird im kommenden Jahr eine größere Abmeldungsreihe bringen, weil sich dann die Leute mit 345 Euro im Monat den "Luxus" nicht mehr erlauben können.

Alfred Meyer, Hamburg

 

 

Zu: "Ja zu Homo-Rechten" von Angelika Willig, JF 33/04

Bald nicht mehr aktuell

Dieses Thema wird in absehbarer Zeit mit wesentlicher Hilfe der Grünen aus folgenden Gründen nicht mehr aktuell sein: Die nicht-mohammedanischen Bevölkerungsteile der BRD verzichten in erheblichem Umfang auf Kinder. Ohne Änderung der demographischen Daten (Geburtenrate) wird sich dieser Bevölkerungsteil in wenigen Generationen verabschiedet haben. Hierzu paßt eine Bemerkung von Claudia Roth im Interview "Ich habe Lust auf Macht" in Rheinischer Merkur 26/02: "Langfristig bin ich dafür, daß der Paragraph 218 gestrichen wird." Die von den Grünen geforderte Homo-Ehe wird mit Erteilung des Rechts auf Adoption an der demographischen Situation wohl kaum etwas ändern.

Uwe Schmidt, Rudersdorf

 

Abstruse Kälte

Erstaunlich: Eine Frau versucht die Homo- und Lesbengesellschaft mit der angeblich technisch-apparativen Fortpflanzung der Menschen, mit der Abtreibung und der Pille, mit einer neuen, rationalen "Sexual-Kultur" zu rechtfertigen und dem Modernen schmackhaft zu machen. So als sei es das ursprüngliche Liebeserlebnis, von der Kirche als sakrales Lebensereignis in den Mittelpunkt des menschlichen Daseins gestellt, nur noch ein rechnerisch-apparativer Begattungsakt, der sich in der Sache selbst erledigt. Wer diese Rechtfertigung der Autorin in ihrer abstrusem Kälte begreift, der merkt erst, mit wes Geistes Kindern wir zu tun haben. Denn ihre öffentlichen Auftritte sind provokant, schamlos und obszön. Wenn sich Homos und Lesben zu ihrer Straßenschau in Städten sammeln ist das Abreagieren und Kompensieren sexueller Minderwertigkeitskomplexe. Liebe geschieht seit Menschengedenken nicht in Bereichen der öffentlichen, voyeurgierigen Schau. Die wirklichen Liebeserlebnisse entziehen sich burlesker Selbstdarstellung. 

Wilhelm Lehbrink, Vogt

 

Folge der Geburtenkontrolle

Angelika Willig hat recht. Die Homo-Ehe ist nicht der Untergang des Abendlandes, sondern eine eher harmlose (ich meine sogar: erfreuliche) Folge der Geburtenkontrolle.

Aufzupassen gilt es allerdings beim Adoptionsrecht. Die Natur tat gut daran, Kinderaufzucht weiblichen Händen anzuvertrauen. Typisch Mann ist, weit jüngere potentielle Sexualpartner besonders attraktiv zu finden; typisch Frau hingegen, den Nachwuchs vor sexuellen Übergriffen abzuschirmen. Deswegen muß Adoption durch männliche Paare die Ausnahme bleiben und sich auf Blutsverwandte des einen Partners beschränkt. Homophile Kindergärtner sind kein größeres Risiko als Heterophiele. Aber wenn ein männliches Homo-Paar sich einen Waisenknaben aus Übersee adoptiert, dann ist das Risiko sexuellen Mißbrauches sehr viel größer als bei einer Adoption durch ein Hetero-Paar.

Holger Schleip, Birkenfeld

 

Gehirnwäsche

Einigermaßen entsetzt bin ich über das Plädoyer von Angelika Willig für "Homo-Rechte". Das unterscheidet sich nicht von der Gehirnwäsche, der uns die üblichen Medien über viele Jahre hinweg unterziehen wollen. Abgesehen davon, daß es keinen Grund gibt, daß der Staat in Betten hineinschaut, in denen nicht einmal theoretisch etwas Gesellschaftsrelevantes geschehen kann, kann Ungleiches niemals sein.

Alle drei großen Weltreligionen haben eine übereinstimmende Meinung zur Homosexualität. Wenn nun Homosex mit normalem Sex gleichgesetzt werden soll, dann widerspricht das zum einen dem allgemein gültigen Naturrecht, aber auch der Auffassung eines gläubigen Christen, Juden oder Moslems. Die konsequente Durchsetzung der falschen Betrachtungsweise, daß Homosex gleichzusetzen sei, würde letztendlich in einer Verfolgung aller Gläubigen (und zwar derer des Christentums, des Judentums und des Islams) enden. 

Regina Wilden, Köln


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen