© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 35/04 20. August 2004

Zeitschriftenkritik: Sprachnachrichten
Armutszeugnis der Kulturnation
Werner Olles

Herausgeber der in einer Auflage von 25.000 Exemplaren vierteljährlich erscheinenden Sprachnachrichten ist der Verein Deutsche Sprache e.V. (VDS) in Dortmund unter seinem Vorsitzenden Walter Krämer. Der VDS hat im Streit um die Rechtschreibreform von Anfang an klare Stellung gegen die völlig überflüssigen Neuerungen bezogen. Auch seiner fundierten Kritik und überzeugenden Argumenten ist es daher zu verdanken, wenn inzwischen große Verlagshäuser wie Springer, Spiegel und die Süddeutsche Zeitung zur bewährten alten Orthographie zurückkehren. Offenbar hat man jetzt auch dort endlich erkannt, daß es kaum etwas wichtigeres gibt als die Sprache, in der sich ein Volk ausdrücken kann.

Die Sprachnachrichten haben allerdings auch immer wieder darauf hingewiesen, daß die sprachliche Entwicklung in unserem Land viel zu wünschen übrig läßt. Die Verhunzung unserer Muttersprache hat in der Tat ein erschreckendes Ausmaß angenommen, die kläglich gescheiterte sogenannte "Rechtschreibreform" ist da nur ein Übel unter vielen. Immerhin würde die endgültige Beendigung dieser Farce zeigen, daß es möglich ist, gegen die arrogante Macht der Kultusbürokratien und ihrer Zuträger von der Germanisten-Zunft ein wichtiges Stück kulturelle Identität zu verteidigen und letztlich zurückzuerobern.

Massiv wendet sich die Zeitung gegen das "dumme Anglizismen-Gewäsch in Politik und Werbung" (Walter Krämer) und plädiert entschieden für Werbesprüche in deutscher Sprache. Die übelsten Sprachverhunzer und dümmlichsten Vorreiter in Sachen "Denglisch" haben dagegen die Chance, zum "Sprachpanscher des Jahres" gewählt zu werden. Überall nehmen lächerliche und nichtssagende Floskeln überhand: "Vom Tisch" anstatt "erledigt", "vor Ort" anstatt "an Ort und Stelle" oder "absegnen" bzw. "abnicken" anstatt "zustimmen" sind nur ein paar Beispiele für die Verballhornung unserer Sprache. Eine sprachliche Umweltverschmutzung geht auch mit der Zwangsamerikanisierung der Hochschulen einher. Magister artium, Dr. med. oder Diplom-Kaufmann werden wohl künftig - wenn es nach dem Willen "deutscher" Politiker geht - dem "Bachelor of Arts", "Medical Doctor" oder "Master of Engineering" weichen müssen. Und die Fachhochschule heißt inzwischen ja bereits "University of applied Science".

Welch ein Armutszeugnis für eine Kulturnation, die im 19. Jahrhundert die weltberühmte, moderne Universität mit der Einheit von Forschung und Lehre und der Bildung durch Wissenschaft hervorgebracht hat! Die stumpfsinnige Herabwürdigung der deutschen Sprache macht indes vor keiner Institution halt. So kommen auch die Krankenkassen hierzulande an denglischen Modeausdrücken scheinbar nicht mehr vorbei. Mit "Check-up", "Wellness", einer "Fitness-Community" und "Call-Back-Service" sollen potentielle Kunden als Mitglieder geködert werden. Dazu gehört dann auch ein "Newsletter" aus einem "Center", in dem man eine "Green Line" wählen kann. Angesichts dieser erbärmlichen Präsentation der Barmer ist man direkt froh, dort kein Mitglied mehr zu sein.

Anschrift: Verein Deutsche Sprache e.V., Postfach 10 41 28, 44041 Dortmund. Der Einzelpreis beträgt 0,80 Euro. Internet: www.vds-ev.de.


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen