© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 34/04 13. August 2004

Planlos in eine ungewisse Zukunft
Bundeswehr: Deutsche Soldaten bilden in den Vereinigten Arabischen Emiraten die neue irakische Armee mit aus / Rückt Sitz im Sicherheitsrat dadurch näher?
Paul Rosen

Die deutsche Bevölkerung soll offenbar schonend auf ein neues militärisches Engagement vorbereitet werden. Hundert Lastwagen und einige Dutzend Ausbilder würden in die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) entsandt, bestätigte das Berliner Verteidigungsministerium. Die deutschen Soldaten sollen dort helfen, Soldaten der neuen irakischen Armee auszubilden. Gleichzeitig richtet die Bundeswehr in Afghanistan einen weiteren Stützpunkt ein.

Der Drang der rot-grünen Koalition, Truppen in entlegene und unfruchtbare Gegenden zu schicken, ist schon beachtlich. Dabei war es ausgerechnet Joschka Fischers grüne Partei, die noch bis vor wenigen Jahren am liebsten den Austritt aus der Nato erklärt und die Bundeswehr bis zur Unwirksamkeit reduziert hätte. Inzwischen gibt die Bundesregierung rund 1,3 Milliarden Euro pro Jahr für Auslandseinsätze aus. Davon verschlingt der Afghanistan-Einsatz mit rund 400 Millionen Euro den größten Batzen. Es folgen der Kosovo-Einsatz mit 350 Millionen Euro und der Marineeinsatz in Ostafrika im Rahmen von Enduring Freedom mit 220 Millionen. Der Einsatz in Bosnien-Herzegowina kostet mit rund 121 Millionen Euro vergleichsweise wenig.

Schröder im Visier moslemischen Terrors

Das neue Engagement in den Emiraten zur Ausbildung irakischer Truppen ist ungewöhnlich. Verpflichtet hatte sich Berlin dazu auf dem letzten Nato-Gipfel im Juni in Istanbul, wo das Bündnis eher symbolische Hilfen für die neue Regierung in Bagdad zusicherte. Bundeskanzler Gerhard Schröder, dessen Regierung vor dem Irak-Krieg selbst die Luftraum-Überwachung im Nato-Land Türkei mit deutschen Truppen problematisierte, machte diesmal bereitwillig mit. Doch die Öffentlichkeit sollte zunächst nichts davon erfahren. Einem vorlauten Regierungssprecher in den Emiraten war es zu verdanken, daß die Sache ans Licht kam. Berlin mußte bestätigen, was man offiziell noch nicht einmal dem Bundestag mitgeteilt hatte.

Und bisher wird der Einsatz auch heruntergespielt. Da es sich nicht um ein bewaffnetes Engagement handele, sei auch keine Zustimmung des Bundestages erforderlich, heißt es im Verteidigungsministerium. Schlüssig erscheinen diese Angaben nicht: Im Irak dürfte es genügend Einheimische geben, die Lastwagen fahren und auch reparieren können. Dazu bedarf es keiner deutschen Hilfe. Die aktuelle Entwicklung zeigt, daß es im Irak viele Spezialisten gibt, die sogar Bomben bauen können. In der Bevölkerung sind offenbar technische Fähigkeiten stark verbreitet, die weit über das Lastwagenfahren oder das Flicken eines Zündkabels hinausgehen. Was soll also dieses Engagement in den Emiraten?

In Frankreich gibt die Regierung darauf eine klare Antwort, um die sich Berlin bisher herumdrückt: Paris lehnt jede Art dieser Aufbauhilfe ab, weil man fürchtet, damit indirekt in den Irak-Krieg hineingezogen zu werden. Diese Gefahr wird jedoch in der rot-grünen Regierung nicht einmal ansatzweise diskutiert. Auch die bürgerliche Opposition hüllt sich in Schweigen. Es dürfte aber klar sein, daß sich arabische Terroristen kaum darum scheren werden, ob die Bundeswehr nun der Armee des amerikanischen Marionetten-Regimes in Bagdad bei der Ausbildung von Lastwagenfahrern oder MG-Schützen hilft. Mit dieser Art Signalpolitik kommt Kriegsgegner Schröder ins Visier des moslemischen Terrors und gefährdet die innere Sicherheit in Deutschland, auch wenn er am Irak-Krieg mit keinem Flugzeug oder Panzer beteiligt war.

Außerdem waren Engagements dieser Art immer eine Art Einstieg, um die öffentliche Stimmung zu testen. Da es gegen die Ausbildung irakischer Kraftfahrer keinerlei Proteste gab, könnte das Engagement in weiteren Schritten verstärkt werden. Die Deutschen könnten beispielsweise mit Freiwilligen komplette Armeeverbände aufstellen und an Bundeswehrwaffen ausbilden. Wenn dann eines Tages die deutschen Ausbilder mit den irakischen Truppen gemeinsam in den Einsatz ziehen (natürlich zuerst nur zur Kampfmittelbeseitigung), wäre die Bundesregierung direkt in den Krieg verstrickt.

Exakt nach diesem Schema wird das deutsche Engagement in Afghanistan immer mehr zu einem Besatzer-Einsatz. Es ist noch nicht lange her, da versicherten Schröder, Fischer und Verteidigungsminister Peter Struck (SPD), es werde über Kabul hinaus keine Stationierungen deutscher Truppen geben. Inzwischen hat sich die Bundeswehr in Kundus im Norden des Landes häuslich eingerichtet. Als nächster Schritt ist die Einrichtung eines Stützpunktes in Feisabad ebenfalls im Norden geplant. Ein Vorauskommando ist schon da. Aus dem einen Stützpunkt in Kabul werden also schon drei.

Selbst für gemäßigte moslemische Kräfte dürfte das Ende der traditionellen Gastfreundschaft bald erreicht sein, Schon geht der neue Kommandeur der Isaf-Schutztruppen, der französische Eurokorps-Generalleutnant Jean-Louis Py, davon aus, daß es angesichts der in Afghanistan geplanten Wahlen am 9. Oktober zu einem "bestimmten Maß an Terrorismus" kommen könnte. Ein von der Bundesregierung unter Verschluß gehaltener Geheimdienstbericht soll vor einer Ausweitung des deutschen Engagements warnen. Offenbar werden Anschläge befürchtet.

Für die deutsche Politik müßte sich eigentlich die Frage stellen, von welchem Wert diese Auslandseinsätze sind. Der Balkan-Einsatz hat nicht viel bewirkt, wie die gut gesteuerten Unruhen im März dieses Jahres im Kosovo gezeigt haben. Die Truppen in Afghanistan stabilisieren ein Regime in Kabul, zu dem die mächtigsten Drogenbosse des Landes gehören, die ihr todbringendes Gift jetzt besser nach Deutschland verkaufen können.

Außenpolitischer Glanz für die kommenden Wahlen

Der Sinn der Ausbildung irakischer Militärs ist nur darin zu erkennen, daß Schröder mit einem verstärkten Engagement am Persischen Golf den amerikanischen Widerstand gegen einen ständigen Sitz für Deutschland im UN-Sicherheitsrat brechen will. Mit diesem außenpolitischen Glanz will er die nächsten Wahlen gewinnen. Die Frage nach den Interessen des Landes, Hauptprinzip der Außenpolitik selbst der kleinsten Nation, wird in Deutschland erst gar nicht gestellt. Plan- und ziellos verstrickt man sich in internationale Konflikte. Die schlecht ausgerüsteten Soldaten werden es vermutlich eines Tages mit ihrem Leben bezahlen müssen.

Foto: Soldaten vor dem Abmarsch: Bereit zum weltweiten Militäreinsatz


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