© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 34/04 13. August 2004

Etablierten droht ein rechter Schock
Wahlen: Im Saarland, in Sachsen und Brandenburg wird im September gewählt / Erfolgsaussichten für NPD und DVU
Hans Christians

Kippt die Regierung Schröder? Wird die PDS erstmals in einem mitteldeutschen Bundesland- stärkste Partei? Und kommt es zu einer Renaissance der tot geglaubten Rechtsparteien? Dies sind die spannendsten Fragen bei den anstehenden Landtagswahlen im Saarland, Sachsen und Brandenburg.

Den Anfang machen am 5. September die etwa  800.000 wahlberechtigten Saarländer im kleinsten Flächenland der Bundesrepublik. Seit 1999 regiert dort die CDU mit absoluter Mehrheit (26 Sitze) gegen die Ein-Parteien-Opposition von SPD (25 Sitze). Kaum jemand zweifelt daran, daß Ministerpräsident Peter Müller beste Chancen auf eine Wiederwahl hat. Meinungsumfragen sagen den Christdemokraten derzeit mehr als 50 Prozent der Stimmen voraus, was einen Zuwachs von rund fünf Prozentpunkten bedeuten würde.

Den Sozialdemokraten mit Spitzenkandidat Heiko Maas drohen dramatische Einbrüche. Der Partei, die mit Oskar Lafontaine dreimal als absoluter Sieger aus den Landtagswahlen hervorging, prophezeien die Meinungsforscher Verluste von deutlich mehr als fünf Prozent, was ein Abrutschen unter die 40-Prozent-Marke bedeuten würde.

Mit herber Kritik an der Sozialpolitik der Bundesregierung und einer starker Einbindung von Ex-Parteichef Lafontaine bemühen sich Maas und seine Genossen um Schadensbegrenzung. Noch bei den jüngsten Kommunalwahlen im Juni haben die Sozialdemokraten gerade in traditionellen Arbeiter-Siedlungen herbe Nackenschläge hinnehmen müssen. Während Lafontaine offen mit dem Parteiaustritt und der Unterstützung einer neuen Linkspartei liebäugelt, präsentiert sich Maas als doppelte Opposition.

Die Landesregierung Müller hält er für Versager, und sein Urteil für die Bundesregierung Schröder fällt nicht viel besser aus. Sein Kalkül: "Die SPD als Protestpartei etablieren und damit Pluspunkte sammeln." Doch nicht nur von links, auch von rechts lauert an der Saar plötzlich Gefahr. Etwa drei Prozent der Saarländer würden nach dem jüngsten Stand der Dinge ihr Kreuz bei der NPD machen, Tendenz steigend.

Schon bei den Kommunal- und Europawahlen im Juni liefen die Nationaldemokraten den Republikanern den Rang ab. In sozialen Brennpunkten wie der Industriestadt Völklingen oder einigen Bezirken der Landeshauptstadt kam die Mannschaft um den Landesvorsitzenden und Alt-Nationaldemokraten Peter Marx teilweise auf zweistellige Ergebnisse. Ein Einzug in den saarländischen Landtag gilt derzeit noch als eher unwahrscheinlich, ein Achtungserfolg deutet sich mittlerweile allerdings an.

Rechtswähler interessieren sich nicht für Querelen

Mit sozialen Themen ("Quittung für Hartz IV") oder der Forderung nach Ausländerrückführung ("Gute Heimreise") sammelt die NPD Pluspunkte und profitiert dabei vom Zerfall der Republikaner, die 1989 noch in die Stadträte von Saarlouis und Saarbrücken eingezogen waren. Der REP-Landesverband hat sich frühzeitig gegen den Abgrenzungskurs der Bundesführung gestellt und auf einen eigenen Wahlantritt verzichtet. Zur Europawahl boykottierten die Saar-Republikaner gar die Plakate mit dem Konterfei der stellvertretenden Bundesvorsitzenden Uschi Winkelsett. Innerrechte Konkurrenz erhält die NPD nur von der Deutschen Partei, die zur Überraschung der lokalen Beobachter die erforderlichen Unterstützungsunterschriften erreicht hat.

Erfolgschancen werden den Nationalkonservativen allerdings kaum eingeräumt. Interessantes Detail am Rande: Auf vorderen Listenplätzen der NPD kandidieren unter anderem der langjährige Landesvorsitzende des Bundes Freier Bürger, Günter Gabriel, sowie der ehemalige örtliche REP-Funktionär Bernd Ehrreich.

Sachsen-CDU fällt bei Umfragen unter 50 Prozent

Wahrscheinlicher als an der Saar ist ein NPD-Erfolg in Sachsen, wo zeitgleich mit Brandenburg am 19. September gewählt wird. Neun Prozent der Befragten gaben an, daß sie eventuell eine Rechtspartei wählen würden. Unter den 25- bis 29-Jährigen liegt der vom Meingsforschungsinstitut Emnid ermittelte Wert sogar bei 19 Prozent. Schon bei den Kommunalwahlen im Juni erzielte die NPD 3,3 Prozent und mußte sich nur knapp den Republikanern geschlagen geben, die mit 3,4 Prozent ihr bundesweit bestes Ergebnis erzielten. Lange Zeit sah es so aus, als würden beide Rechtsparteien gegeneinander antreten, bis die Republikaner in letzter Minute ihre Liste zurückzogen.

Die ehemalige und mittlerweile vom Parteiausschluß bedrohte Landesvorsitzende Kerstin Lorenz erklärte zur Begründung, die Partei habe die erforderlichen Unterstützungsunterschriften nicht erreicht. Dagegen kontert die REP-Bundesführung, die sächsischen Republikaner hätten die eigenen Erfolgschancen über Bord geworfen, um mit der NPD gemeinsame Sache zu machen. Sogar von einem "Dolchstoß" ist die Rede.

Den Rechtswähler lassen die Querelen eher kalt. In der öffentlichen Wahrnehmung spielen die Republikaner in Sachsen kaum eine Rolle, und der öffentliche Wahlaufruf zugunsten der Deutschen Sozialen Union (DSU) hat nur für wenig Unruhe gesorgt. Spannend wird die Sachsen-Wahl aber auch deshalb, weil die CDU erstmals seit 1990 unter die Marke von 50 Prozent rutschen könnte. Der sächsische Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) ist von einem Sieg seiner Partei bei der Landtagswahl am 19. September überzeugt. "Ich glaube nicht, daß die Wähler einen Wechsel der Politik wollen", sagte der Regierungschef. "Sachsen ist die Nummer eins im Osten."

Bei allen entscheidenden Kriterien wie beispielsweise der Zahl der Arbeitsplätze, den Wachstumsraten, den Ausgaben im Kulturbereich oder Forschungsmittel nehme Sachsen im Osten und teilweise auch bundesweit einen Spitzenplatz ein. In der Vorwoche fiel die Sachsen-CDU bei einer Umfrage unter die 50-Prozent-Marke und erhielt noch 48 Prozent der Stimmen. Nach einer anderen Befragung lag sie gar nur bei 44 Prozent. "Bei allen Umfragen bleibt die CDU mit Abstand stärkste politische Kraft", so Milbradt. Allerdings werde hier deutlich, daß der Unmut gegenüber der aktuellen Politik sich nicht allein gegen den Bund richte, sondern auch bei den Landesregierungen etwas hängenbleibe, wovon vor allem die PDS profitiere.

"Unsere Gegner sind nicht so sehr die anderen Parteien, sondern die Nichtwähler", so der sächsische Ministerpräsident. Es sei nicht unwahrscheinlich, daß viele Wähler einfach zu Hause blieben, betont Milbradt im Wahlkampf immer wieder.

Spannend wird es auch in Brandenburg, wo die PDS erstmals stärkste Kraft in einem mitteldeutschen Landesparlament werden könnte. Die SPD liegt zwar wenige Wochen vor der Landtagswahl in Brandenburg am 19. September in der Wählergunst wieder vorne. Im Auftrag der Partei ermittelte das Meinungsforschungsinstitut Forsa, das den Sozialdemokraten traditionell nahesteht, 32 Prozent der Stimmen für die Sozialdemokraten, gefolgt von der PDS mit 30 Prozent und der CDU mit 27 Prozent.

Grund zum Durchschnaufen besteht für Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) allerdings nicht. In anderen Umfragen liegt die PDS vorne, zudem schwächelt der große Koalitionspartner CDU mit Innenminister Jörg Schönbohm. Der FDP und den Grünen werden in Brandenburg keine größeren Chancen eingeräumt.

Spannend bleibt das Abschneiden der Deutschen Volksunion (DVU), die vor vier Jahren mit 5,3 Prozent den Sprung in den Brandenburger Landtag schaffte. In den Prognosen taucht die Truppe um die Fraktionsvorsitzende Liane Hesselbarth nicht auf, die Meinungsforscher halten einen ähnlichen Überraschungscoup wie 1999 allerdings für möglich. Denn mit einem massiven Einsatz von Wahlkampf- und Propagandamaterial versucht die Partei des Münchner Verlegers und DVU-Bundesvorsitzenden Gerhard Frey erneut in den Potsdamer Landtag zu gelangen. "Für Brandenburg haben wir bisher 97.000 Plakate gedruckt", sagte DVU-Bundessprecher Bernd Dröse.

Gegebenenfalls würden noch mehr Plakate gedruckt. Damit ist die DVU zumindest im Bereich der Materialschlacht ungeschlagen. "SPD, PDS und CDU werden vielleicht zusammen so viele Plakate kleben", sagte SPD-Landesgeschäftsführer Klaus Ness.

DVU wirbt in Spots mit Regine Hildebrandt

Auftrieb erhielt die DVU-Kampagne von einem umstrittenen Wahlwerbespot. Die DVU möchte in Fernseh- und Radiospots mit der verstorbenen SPD-Sozialpolitikerin Regine Hildebrandt werben. Hildebrandt war zu Lebzeiten eine der beliebtesten Politiker im Land. "Die DVU ist sich sicher. Regine Hildebrandt würde heute Protest wählen", heißt es im Spot. Hildebrandt habe Asyl-Mißbrauch bekämpft, wissen die DVU-Wahlstrategen im Werbefilm. Die SPD wehrt sich mittlerweile juristisch gegen die Vereinnahmung ihrer einstigen Galionsfigur.

Die DVU gibt sich derweil gelassen: "In jedem freiheitlichen demokratischen Staat ist es selbstverständlich zulässig, im Wahlkampf einer Regierungspartei vorzuwerfen, daß sie Standpunkte und Positionen einer ihrer Symbolfiguren verraten hat", erklärte die Partei am Mittwoch. Daher bestünden keine Unterlassungsansprüche.

Foto: Ministerpräsidenten Matthias Platzeck (SPD, Brandenburg) und Georg Milbradt (CDU, Sachsen): In beiden Bundesländern könnten mit NPD und DVU wieder Rechtsparteien in die Parlamente einziehen


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen