© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 26/04 18. Juni 2004

Prestigeträchtige Stützpunkte
Alliierte Truppen in Deutschland: Im Gegenzug zu den Ankündigungen der USA, massiv Truppen abzuziehen, baut die britische Armee ihre Standorte noch aus
Peter Freitag

Die in Deutschland stationierten Streitkräfte der Vereinigten Staaten sollen in größerem Umfang als bisher erwartet reduziert werden. Einem Bericht der New York Times zufolge plant das US-Verteidigungsministerium den Abzug der 1. Infanterie- und der 1. Panzerdivision; das entspräche einem Anteil von sechzig Prozent der hierzulande stationierten US-Heeressoldaten. Außerdem solle ein in Spangdahlem in der Eifel stationiertes Luftwaffengeschwader nach Incirlik in der Türkei verlegt werden. US-Präsident George W. Bush habe allerdings diesen Plänen bisher noch nicht zugestimmt, meldete das Blatt.

Die Bundesregierung bestätigte, daß sich Ende Mai Douglas Feith, Staatssekretär im Pentagon, in Berlin mit Vertretern des Auswärtigen Amts und des Verteidigungsministeriums zu Beratungen in dieser Sache getroffen habe. Die Berichte der Zeitung nannte ein deutscher Behördensprecher jedoch "Spekulationen", da die US-Regierung ihre Pläne noch nicht abgeschlossen habe. Die Tageszeitung Die Welt mutmaßte dazu, daß die US-Stützpunkte in Ramstein und Spangdahlem von den Truppenreduzierungen nicht betroffen seien und auch das Militärhospital in Landstuhl weiterexistieren solle. Anstelle der beiden genannten Divisionen wolle das Heer der US-Armee nur noch eine Brigade in Deutschland stationieren. Bereits Ende März zitierte das Blatt Berichte der Washington Post, nach denen die Vereinigten Staaten ihre Truppen in Deutschland - derzeit etwa 71.000 Mann - um etwa die Hälfte reduzieren wolle. Neben dem Umfang will das US-Militär auch die Bewaffnung der hiesigen Einheiten ändern. So sollen etwa schwere Kampfpanzer zugunsten leichterer gepanzerter Fahrzeuge vom Typ "Stryker" ersetzt werden.

Die Aufgabe größerer Standorte in Deutschland - betroffen sind davon vor allem die Bundesländer Bayern, Hessen und Rheinland-Pfalz - steht im Zusammenhang mit der Verlagerung von US-Einheiten in kleinere Standorte innerhalb der neuen Nato-Staaten Mittel- und Osteuropas. Vor allem Polen erhofft sich davon die Neubesiedlung ehemaliger Stützpunkte der früheren Sowjetarmee. In den verödeten Regionen lockt die Aussicht, mit den Streitkräften kämen dann dringend benötigte Arbeitsplätze für einheimische Zivilbeschäftigte.

Für diese Fälle müßten jedoch zunächst Bedenken der russischen Regierung aus dem Wege geräumt werden, die solche Pläne mit Argwohn verfolgt: Würden beispielsweise US-Flugzeuge auf einem polnischen Luftwaffenstützpunkt östlich von Posen stationiert werden, könnten diese binnen acht Minuten russisches Gebiet erreichen. Als Gegenmaßnahme, so hieß es aus Militärkreisen in Moskau, könnten dann russische Raketen in Königsberg stationiert und auf den Nato-Staat Polen gerichtet werden.

Staatssekretär Feith betonte noch einmal, daß es sich bei den Abzugsplänen nicht wie behauptet um "Strafaktionen" wegen der gegen den Irak-Krieg gerichteten Politik der deutschen Regierung handele. Vielmehr stehe dahinter die geänderte Sicherheitslage. Es sei nicht mehr notwendig, mit schweren und statischen Truppenstationierungen etwa im Raum Frankfurt das frühere sogenannte "Fulda-Gap" gegen den Einfall aus dem Osten zu sichern, sondern der "asymmetrischen Bedrohung" durch den Terrorismus zu begegnen. Dazu seien flexiblere Einheiten notwendig, die in kürzerer Zeit mobilisiert und schneller in die entsprechenden Krisenregionen geschickt werden könnten, so Feith weiter.

Die britischen Streitkräfte dagegen werden auch in Zukunft in Norddeutschland stationiert bleiben, und das will sich die Regierung in London sogar einiges kosten lassen. Über einen Zeitraum von acht Jahren sollen mit Investitionen in Höhe von 175 Millionen Euro die drei niedersächsischen Standorte Bergen-Hohne, Fallingbostel und Osnabrück schwerpunktmäßig ausgebaut werden. Unter der Kurzbezeichnung PUMA (Program for Upgrade and Modernisation of Accommodation - Programm zur Sanierung und Modernisierung von Unterkünften) sollen die Wohnanlagen und die sie umgebende Infrastruktur verbessert werden, um die "zum Teil schlimmen Lebensbedingungen der Soldaten zu beenden", gab die niedersächsische Landesbauabteilung bekannt. Hintergrund für das Bauprogramm sei die angesichts zunehmender Auslandseinsätze in Krisenregionen gestiegene Bedeutung einer verbesserten Lebensqualität der Soldaten an ihren Stationierungsstandorten. In den meisten Fällen werden statt einer aufwendigeren und teureren Renovierung alter Gebäude auf den Kasernengeländen Neubauten errichtet.

Die Bauaufträge im Rahmen von PUMA sollen in öffentlichen Ausschreibungen zumeist innerhalb der jeweiligen Region vergeben werden. Mit diesen Investitionen trage das britische Bauprogramm erheblich zur Stärkung der niedersächsischen Bauwirtschaft bei, hieß es dazu aus der Finanzverwaltung des Landes.

Nach Angaben des Bundesfinanzministeriums, das für Liegenschaftsaufgaben zuständig ist, waren am 1. Januar dieses Jahres in den alten Bundesländern etwa 100.000 amerikanische, britische, französische, belgische und niederländische Soldaten stationiert. In den neuen Bundesländern und in Berlin dürfen keine ausländischen Truppen stationiert werden.

Die in Deutschland stationierten Streitkräfte benutzen Liegenschaften in einer Gesamtgröße von rund 91.300 Hektar. Auf diesen Liegenschaften befinden sich Anlagen für unterschiedliche militärische Zwecke (Übungsplätze, Flugplätze, Kasernen, Schießanlagen, Depots, Krankenhäuser, Schulen, Einkaufszentren, Sozialeinrichtungen für Truppenangehörige). Der größte Teil der Liegenschaften (rund 83.500 Hektar) und Wohnungen (rund 42.000) gehört dem Bund oder einem Bundesland und steht den Streitkräften unentgeltlich zur Verfügung.

Nach Angaben des Finanzministeriums sind in diesem Jahr 123,3 Millionen Euro an finanziellen Leistungen des Bundes im Zusammenhang mit dem Aufenthalt ausländischer Streitkräfte in Deutschland im Bundeshaushalt (Kapitel 6009) veranschlagt.

Foto: US-Militärflugplatz Spangdahlem in Rheinland-Pfalz: Laut amerikanischen Angaben sind die Abzugspläne keine Strafaktionen gegen Deutschland


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen