© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 25/04 11. Juni 2004

Neulich im Internet
Wan-Tan
Erol Stern

"Das Schöne an den Standards ist - es gibt so viele davon", lautete einst ein süffisantes Bonmot des legendären IBM-Präsidenten Thomas Watson. Auch wenn man hierzulande gemeinhin denkt, daß die westliche Wirtschaft durch den omnipräsenten Boom im Reich der Mitte alle Absatz- und Ertragssorgen der letzten Jahre regelrecht hinwegfegen könne, so hat man in vielerlei Hinsicht die Rechnung ohne den Wirt gemacht. China kocht gerade in technologischen Fragen gerne sein eigenes Süppchen. Die erste Magenverstimmung, die die hiesigen Manager verdauen durften, war, daß die nach europäischem Gusto gestalteten Mobiltelefone auf dem chinesischen Markt auf verhaltenen Appetit stießen, wohingegen die (für uns kitschig anmutenden) Modelle ortsansässiger Hersteller mit ihren funkelnden Steinchen und bunten Bändchen weggingen wie warme Semmeln. Hinzu kommt eine protektionistische Wirtschaftspolitik Chinas, die landeseigene Produkte stützt. Das einst so große China soll nicht wieder von Fremdmächten bestimmt werden. So sind die Abhängigkeit von ausländischer Technologie und die Wege, diese zu umgehen, eines der wichtigsten Themen für die chinesische Zeitgeschichte und das Selbstverständnis. Dieser Techno-Nationalismus gipfelt in mitunter kuriosen Zoten wie der Einführung des "Red Flag Linux" statt der Nutzung von Windows, einem anderen Standard für DVDs (der inkompatiblen EVD, die Lizenzgebühren spart) und der Verschlüsselung von Funknetzwerken. Bei all der Euphorie sollte man also stets bedenken, daß auch Glückskekse nicht immer Erfreuliches vermelden, selvielt Euel ELOL STELN


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen