© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 25/04 11. Juni 2004

Frisch gepresst

Eurovision. Der frühere Leiter der Abteilung Außen- und Sicherheit im Bundeskanzleramt unter Helmut Kohl, Joachim Bitterlich, sinniert in seinem jüngsten Buch über das "Europa der Zukunft". Dabei wirft der intime Kenner der deutsch-französischen Achse die Fragen auf, die für die meisten der zur Europawahl am 13. Juni Aufgerufenen bisher nur schemenhaft beantwortet worden sind. Welches schlüssige Konzept für eine effiziente Führung der Union liegt vor? Wo sind die Grenzen der europäischen Integration? Aus der Banalität dieser Fragen wird deutlich, wie wenig konkret selbst in einem "Europa der zwei Geschwindigkeiten" die Perspektiven des Superstaates gefaßt wurden. In Bitterlichs thesenartigen Formeln klingt das eurokratisch nüchtern: "Angesichts der Haltung der Mitgliedstaaten und des unterschiedlichen Standes der Zusammenarbeit in den verschiedenen Materien können wir auf absehbare Zeit nicht damit rechnen, daß alle wichtigen Politikbereiche vollständig vergemeinschaftet werden. Wir werden mit Mischformen leben müssen." Dieses Resümee wird dadurch bestätigt, daß der Verfassungskonvent auf dem Stand der "Reform von Nizza" als "liberum veto" stagniert, das augenblicklich ausgerechnet von Polen ausgeübt wird. Bitterlich ist Realist genug, für diesen Nicht-Fisch-nicht-Fleisch-Status der Union allenfalls eine "hinkende Mitgliedschaft" der Türkei in Betracht zu ziehen (Das Europa der Zukunft. Droste Verlag, Düsseldorf 2004, 208 Seiten, gebunden, 15,95 Euro).

Ressourcen der Zukunft. Die Bonner Konferenz "Renewables 2004" und die steigenden Ölpreise haben das Augenmerk auf die "Stoffströme der Zukunft" gelenkt. So bekommt man allein von der Vorstellung, daß die Chinesen oder Inder demnächst ihren Wunsch nach Auto oder Klimaanlage erfüllen wollten oder könnten, einen gehörigen Schreck in die Glieder. Der Forscher Stefan Bringezu am Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie im Wissenschaftszentrum Nordrhein-Westfalen konzipiert auf Grundlage des Status quo nach einer imaginären "Erdlandung" den Weg zur Optimierung des Stoffwechsels zwischen Natur und Kultur. Bringezu versteht es, dem arg strapazierten Begriff der "Nachhaltigkeit" Sinn einzuhauchen und dem verzweifelten Erdling zumindest die Vision eines Ausweges zu präsentieren (Erdlandung. Navigation zu den Ressourcen der Zukunft. Hirzel Verlag, Stuttgart 2004, 176 Seiten, broschiert, 18,50 Euro).


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