© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 24/04 04. Juni 2004

Kolumne
Heuchelei
Klaus Hornung

Bringt man die Politik und Propaganda der rot-grünen Regierung auf den Punkt, so gibt es dafür kein besseres Wort als: Heuchelei. Stets geht es um die Instrumentalisierung hoher moralischer Ansprüche und natürlich der Vergangenheitsbewältigung "zu gegenwärtigen Zwecken", um einen selbstgerechten und unerbittlichen Tugendterror und die "öffentliche Verurteilungskultur straflüsterner Moralgiganten", um die "Zeigefingerbemühungen der Herbeter, Abfrager, Insgewissenredner", deren Correctness-Rausch sich zeitweilig sogar zu "politisch-moralischer Lynchstimmung" steigert, wie der Schriftsteller Martin Walser es formulierte.

Ein Schulbeispiel waren die erneuten Attacken einer konzertierten Medienaktion gegen den ehemaligen baden-württembergischen Ministerpräsidenten Hans Filbinger als Wahlmann in der Bundesversammlung am 23. Mai.

Die längst widerlegten Schauermärchen über "Todesurteile" Filbingers wurden erneut dreist aufgetischt und natürlich auch die Vokabel vom "NS-Marinerichter", nach deren Logik dann etwa auch der ehrenwerte Helmut Schmidt "NS-Leutnant" gewesen wäre. Einmal mehr ging es auch hier nicht um die geschichtliche Wahrheit, sondern um den gegenwärtigen politischen Nutzen für die Linke. Mit der Reizvokabel "Filbinger" hoffte man, dem bürgerlichen Präsidentschaftskandidaten Stimmen abspenstig zu machen.

Diesem politischen Moralismus geht es ja nie um die guten Sitten, wie nur Naive annehmen, sondern darum, politische und gesellschaftliche Ziele der Guten gegen die "Uneinsichtigen" durchzudrücken, und die sind - das versteht sich von selbst -immer die anderen.

Geschichtsbilder hängen - zumal in unserer Zeit - von den Machtverhältnissen in den Massenmedien und in den Bildungsinstitutionen ab, die werden bei uns aber seit langem mehrheitlich von Rot-Grün beherrscht. "Antifaschistische" Interpretationen der NS-Zeit und des Zweiten Weltkrieges werden einem mehrheitlich unwissenden und naiven Publikum aufgedrängt und oft zu wahren "Publikumshits". So soeben der Wiener Philosoph Rudolf Burger in der Mai-Ausgabe der Zeitschrift Merkur. Dabei geht es ja nie um wahrhafte moralische Reinigung (Katharsis), sondern um "eine politische Erpressungsstrategie mit moralischen Mitteln", so Burger. Wann wird man je verstehen?

 

Prof. Dr. Klaus Hornung lehrte Politikwissenschaften an der Universität Hohenheim.


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