© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 23/04 28. Mai 2004

Leserbriefe

Zu: "Wie Feiglinge hinter einer Mauer" von Frederick Forsyth, JF 21/04

Beliebiges Volk

Herr Forsyth hat noch Vorstellungen von den Deutschen, die längst über Bord gegangen sind. So werden die "neuen Deutschen" in ihren Reihen niemanden mehr finden, der seine Stimme für die Zukunft seiner Kinder erheben wird. Dieses Volk ist bereits in der Auflösung begriffen, es nimmt so nach und nach die Kultur des "Big Brother" an, verstümmelt seine Sprache mit Amerikanismen, entfernt sich von seiner Kultur - wird gewöhnlich und beliebig. Da wurde in den Jahren nach 1945 alles von außen und auch von emsigen Strategen im Inneren getan, daß es eine nationale Identität nicht mehr gibt.

Der "deutschen" Jugend ist es doch egal, wo sie ihren Müßiggang in Zukunft abreagieren kann - die Bedeutung einer Nation ist ihr abhanden gekommen, und so wird sie auch naiverweise und kritiklos in einem Land leben, wo die "von Deutschen regierte Nation abgeschafft" worden ist. Und unsere wirtschaftlichen Eliten beeilen sich doch schon mit Unterstützung politischer Versager, in Verstümmelung des Begriffs Patriotismus die wirtschaftlichen Grundlagen der Nation verstärkt ins Ausland zu verlagern. Wer überall auf der Welt Extraprofit einstreichen will, ohne an sein Volk zu denken, braucht weder Nation noch Patriotismus.

Ein Land, das trotz Reichtum heute schon kein Geld für seine Kinder hat, muß sich doch auch nicht fragen, "was für ein Deutschland es seinen Kindern vererbt".

Michael Sieber, Limbach-Oberfrohna

 

Recht vorenthalten

Warum ist eigentlich noch niemandem aufgefallen, daß in Artikel 20, Absatz 2 des Grundgesetzes folgendes zu lesen ist: "Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volk in Wahlen und Abstimmungen .... ausgeübt." Das kann doch nur heißen: Unsere politische Kaste enthält uns seit über 50 Jahren ein Recht vor, das uns das Grundgesetz gewährt, nämlich auch außerhalb von Wahlen über Sachfragen abzustimmen. Deutlicher können die politischen Pfründeinhaber ihre Verachtung des Souveräns, nämlich des Volkes, nicht zum Ausdruck bringen.

Edelbert Breu, Lauterhofen

 

 

Zu: "Die Arroganz der Macht" von Peter Lattas, JF 21/04

Rohstoff als Interesse

Die von den GIs begangenen Folterungen an den Irakern sind die logische Folge einer verantwortungslosen Kriegsrhetorik der "Bush-Krieger", die ihre Gegner nur als Angehörige eines Reiches des Bösen, von Schurkenstaaten oder als Feinde der Freiheit und damit unausgesprochen als Untermenschen wahrnehmen. Offenbar stört den US-Präsidenten nicht so sehr die Folter, sondern eher die Bilder davon. Ferner drängt sich einem der Gedanke auf: Wenn der Amerikaner von Demokratie und Freiheit spricht, dann meint er Rohstoffe und seine nationalen Interessen. Daß er sich von den vielen Diktatoren ausgerechnet den schnappte, der auf 112 Milliarden Barrel Rohöl sitzt, ist bezeichnend.

Reinhard Wick, Bielefeld

 

 

Zu: "Historische Kontinuitäten" von Alexander Griesbach, JF 20/04

Grausige Zustände

Ich bin Jahrgang 1924 und als Angehöriger der 5. Fallschirmjäger Division am 20. April 1945 knapp drei Wochen vor der deutschen Kapitulation nach fluchtartigem Rückzug aus Frankreich im Harz bei Quedlinburg von Amerikanern gefangengenommen worden. Ein paar Tage später wurden wir Gefangene in offenen belgischen Kohlenwaggons mit je etwa 60 Mann Schulter an Schulter stehend ohne Verpflegung, ohne Wasser und natürlich ohne Toiletten in rund 24 Stunden nach Bretzenheim bei Bad Kreuznach gekarrt und auf offener Strecke ausgeladen. Fast alle Männer hatten vom Stehen Wasser in den Beinen und konnten kaum noch gehen. Das Gefangenenlager war ein regendurchweichter nackter Acker, stacheldrahtumzäunt ohne ein einziges Zelt oder gar Gebäude. Wir lagen auf dem schlammigen Ackerboden, Körper an Körper, weil nur je drei Mann eine Wolldecke hatten. Es gab ansonsten kein Trinkwasser und keine Verpflegung. Die Latrine war eine mit einem Bulldozer ausgehobene etwa zweizimmergroße Grube ohne Randbefestigung und ohne Sitzgelegenheiten. Wer in diese Grube fiel, ertrank in den Fäkalien. Wasser zum Waschen gab es nicht. Jeden Morgen gingen Sanitäter durch die endlosen Reihen der Liegenden und stießen diejenigen mit dem Fuß an, von denen sie glaubten, daß sie tot waren. Nach der ersten Nacht wurden angeblich 120 Tote gezählt. Nach Tagen gab es zuerst Trinkwasser und dann "Verpflegung": etwa 50 Mann ein Weißbrot und für jeden je einen Teelöffel Kaffeepulver, Eipulver, Milchpulver und Zucker. In diesem Lager bin ich bis zur offiziellen Entlassung bis zum 12. Juni 1945 geblieben. Alles das ist nachzulesen in dem Buch von James Bacqe "Der geplante Tod", Ullstein Verlag.

Joachim Spiehs, per E-Post

 

Verbrechen übersehen

Wie amerikanische und britische "Befreier" mit wehrlosen Irakern umgehen, erinnert an deren Umgang mit den besiegten Deutschen. Damals hatte Deutschland auch den Propagandakrieg verloren. Die Folge war, daß in dem weltweiten Entsetzen über die Naziverbrechen das Fehlverhalten der Amerikaner und Briten weitgehend übersehen wurde. Naziverbrecher und dafür gehaltene wurden spektakulär verurteilt und gehängt, Kriegs- und Nachkriegsverbrecher der Siegermächte wurden nicht verurteilt. Ein prominenter unter ihnen, und zwar General Eisenhower, der unter anderem massenhaft deutsche Kriegsgefangene verhungern ließ, konnte später sogar US-Präsident werden. Zu ihrem Glück haben die Iraker den Propagandakrieg bisher nicht verloren. Denn dann hätte die Welt von den heutigen US-Verbrechen ebensowenig erfahren wie seinerzeit von den US-Verbrechern in Deutschland.

Johannes Lerle, Erlangen

 

Für vogelfrei erklärt

Durch den Artikel wurde ich an 1945 erinnert, wo unsere Einheit im Ruhrkessel von amerikanischen Truppen überrollt wurde. Der erste Griff des Besatzers ging an mein Handgelenk, um die Armbanduhr zu konfiszieren. Später sollten wir, teils in Uniform, teils in Zivilkleidung in die Rheinlager gebracht werden, wo General Eisenhower die Gefangenen für vogelfrei erklärt hatte. Wenn es mir nicht geglückt wäre, der Gefangennahme zu entkommen, hätte ich das Lager mit hoher Wahrscheinlichkeit nie lebend verlassen.

Otto Meyer, Essen

 

Entschädigung nötig

Fassungs- und geradezu machtlos steht die westliche Welt dem Trauerspiel im Irak gegenüber, das mit den Mißhandlungen irakischer Gefangener seine unrühmliche Fortsetzung findet. Bush und Rumsfeld haben sich zwar wegen dieses Folter-Skandals entschuldigt und zudem Wiedergutmachung angekündigt. Doch bedarf es da nicht für den von George W. Bush angezettelten Irak-Krieg insgesamt eine Wiedergutmachung, und zwar für einen furchtbaren Krieg, der - wie inzwischen feststeht - auf einen großen Irrtum beruht und der niemals hätte stattfinden dürfen?

Fakten und Gründe also genug für den US-Präsidenten, vom hohen Roß herunterzusteigen, Fehler einzugestehen und das zerbombte Land ausreichend zu entschädigen. Dies wäre für einen bekennenden Christen eine ganz normale Angelegenheit, wenn man bedenkt, daß sich Bush immer wieder auf Gott und die christlichen Grundwerte beruft.

Franz Wellschmidt, Waldbrunn

 

Zahlen fehlen

Bislang hatten Sie sich in ihrer Berichterstattung stets der historischen Wahrheit verpflichtet gefühlt. Warum nicht im Falle der Rheinwiesenlager?

Nicht eine "unbekannte Zahl", sondern rund eine Million deutscher Soldaten ist dort in Erdlöchern auf offenem Felde elendiglich verhungert und ohne jedwede medizinische Versorgung an Krankheiten gestorben - nach Kriegsende wohlgemerkt!

Verantwortlich für diese Verbrechen war der US-amerikanische Oberkommandierende General Dwight D. Eisenhower, der sich damit nicht nur über die Direktiven Washingtons hinwegsetzte, sondern auch die Konventionen des Roten Kreuzes und der Genfer Vereinbarungen/Haager Landkriegsordnung mit Füßen trat.

Gerhard Hense, Tann

 

 

Zu: "Neuer Dammbruch" von Peter Lemberg, JF 20/04

Von vorgestern

Ich finde es eine bodenlose Frechheit, Schwule und Lesben als asoziale Randgruppe zu bezeichnen! Herr Lemberg sollte froh sein, daß es Menschen gibt, die ein gemeinsames Leben miteinander gehen wollen, und dann haben sie auch gewisse Rechte, ganz gleich ob sie hetero oder schwul/lesbisch sind. Über gewisse Punkte wie Kinderadoption kann man gewiß unterschiedlicher Meinung sein, aber alles weitere, was in diesem Artikel dazu geschrieben wurde, ist wirklich von vorvorgestern! 

Andreas Becker, München

 

 

Zu: "Was ist der Islam" von Manuel Ochsenreiter, JF 20/04

Vergaloppiert

So gut Ochsenreiters Besprechung des Kurz-Lexikons "Islam von A bis Z" von Adelgunde Mertensacker ist - mit seiner Einzelkritik an einem der 32 Beiträge, nämlich gegen den Beitrag über das Schächten, hat er sich gründlich vergallopiert. Er mokiert sich über die Darstellung der Autorin, daß zum Beispiel der Verzehr von Döner-Kebab-Fleisch der Teilnahme an einem heidnischen Opfermahl gleichkäme. Der Rezensent findet das "lächerlich", obwohl auch bei profaner Schächtung die Weihe des Fleisches an Allah vorgeschrieben ist (Halal). Ochsenreiter erkennt anscheinend die religiöse Dimension des Schächtens nicht genügend.

In einer Stellungnahme zur Vorlage beim Bundesverfassungsgericht hat der "Zentralrat der Muslime in Deutschland e.V." eigens auf die 5. Sure des Koran, Vers 3, hingewiesen, wie Mertensacker ausführt. Dort heißt es: "Verboten ist euch der Genuß von Verendetem, Blut, Schweinefleisch und dem, worüber ein anderer Name als Allah angerufen worden ist."

In seiner Rezension des äußerst informativen Islam-Lexikons rügt Ochsenreiter auch mangelnde Quellenangaben. Doch sind in den elf im Anhang angeführten Quellen, darunter fünf von der Verfasserin des Lexikons selbst, die genauen Fundstellen seitenlang aufgeführt, was den Rahmen eines handlichen, mit drei Euro äußerst preiswerten Kurz-Lexikons sprengen würde. Zudem sind, wie der Rezensent richtig feststellt, Zitate aus Koran, Hadithen und Bibel klar belegt. Ich habe versucht, die Fülle der belegten Zitate zu zählen, das jedoch wegen der Vielzahl aufgegeben. Pfarrer

Winfried Pietrek, Lippstadt

 

 

Zu: "Giftige Verkaufshinweise" von Claus M. Wolfschlag, JF 20/04

Männer leiden

In Wirklichkeit ist jede sexuell betonte Darstellung von Frauen eine schwerwiegende Verletzung der Persönlichkeitsrechte von Frauen. Die Meinungsfreiheit und die "Freiheit der Kunst" ist im Hinblick auf die Persönlichkeitsrechte begrenzt. Die Menschenrechte sind unabhängig von scheinbaren Mehrheitsmeinungen und subjektiven Betrachtungsweisen. Leider denken inzwischen viele Menschen, daß Sexdarstellungen halbwegs "normal" sind. Und leider wird Werbung häufig von Männern gemacht, die oft nicht verstehen (wollen), was sie Frauen antun. Für sexuell mißbrauchte Frauen und Mädchen ist die ständige Sex-Kultur ein einziger Hohn. Aber auch viele Männer leiden unter der Sex-Diktatur. Aus den genannten Gründen ist jeder Protest gegen die herrschende Sex-Kultur dringend notwendig. Viele Firmen setzen ihre verletzende Werbung nach Beschwerden ab. Das ist die beste Möglichkeit, menschenrechtsmißachtende Werbung zu verhindern. Leider wird frauenverletzende Werbung vom Deutschen Werberat so gut wie nie gerügt.

Silke Schubert, Göttingen

 

 

Zu: "Seid umschlungen, Millionen" von Manuel Ochsenreiter, JF 19/04

Deutscher Gulag verhindert

Daß die SPD diesen einseitigen "Kampf gegen Rechts" ausgerufen hat, macht Sorgen, denn zu einer ausgewogenen Demokratie gehören wie Rechts so auch Links.

Alle Konservativen in einen Topf mit der heute kleinen Zahl von Rechtsextremen zu werfen, ist genauso wie alle Sozialdemokraten in einen Topf mit den Kommunisten zu werfen. Und der Kommunismus hat die Menschheit bekanntlich 100 Millionen Opfer gekostet. Gerade der SPD, hier nenne ich Friedrich Ebert und Noske, ist zu verdanken, daß sie einen von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg angestrebten deutschen Gulag verhindert hatten.

Franz Harder, Leopoldshöhe

 

 

Zu: "Die Verfassung als Evangelium" von Josef Schüsslburner, JF 17/04, und "Den direkten Weg gehen" von Dieter Stein, JF 19/04

Notwendige Kritik

Wie notwendig die Kritik Steins (JF 19/04) an den Thesen Schüsslburners (JF 17/04) war, zeigt die Reaktion einiger Leserbriefschreiber (JF 21/04), wenn diese die Verfassung als von den Siegern angelegte "Zwangsjacke" verstehen oder die Ansicht vertreten, die "Ersatzverfassung" stehe gemäß Artikel 146 Grundgesetz zur Disposition. Daß die ursprüngliche Entscheidung über das Grundgesetz nicht in freier Volksabstimmung erfolgte und daß auch nach der Wiedervereinigung keine Volksabstimmung über die endgültige Verfassung stattfand, kann doch nichts daran ändern, daß die große Mehrheit des deutschen Volkes die freiheitliche demokratische Grundordnung bejaht und das Grundgesetz für eine im Kern gelungene Verfassung ansieht. Der Apo ist es deshalb auch nicht gelungen, diese Grundordnung als "FDGO" lächerlich zu machen. Eine politische Rechte, die im Wege einer neuen Verfassungsgebung nach Art. 146 GG die freiheitliche demokratische Grundordnung beseitigen wollte, müßte erklären, was sie statt dessen will. Eine politisch akzeptable Alternative ist nicht erkennbar. Mehr direkte Demokratie kann auch durch einfache Verfassungsänderung erreicht werden und sollte es auch. Eine freiheitliche politische Rechte, wie sie sich in der JF artikuliert, bejaht die freiheitliche demokratische Grundordnung doch nicht deshalb, weil das Grundgesetz dazu verpflichtet, sondern weil sie diesen Wertekanon aus Überzeugung bejaht. Es ist gut, daß Stein klargestellt hat, worum es geht: Es geht darum, die freiheitliche demokratische Grundordnung gegen Usurpatoren zu verteidigen, nicht darum, sie zu überwinden.

Manfred Brunner, München

 

Kläglicher Zustand

Die politische Rechte in Deutschland befindet sich in einem kläglichen Zustand. In die Ecke getrieben von der geifernden Meute der politischen Korrektheit kämpft sie um die letzten Reste öffentlicher Artikulationsmöglichkeiten. Daß der eine oder andere in solch einer Lage nicht die eigene Schwäche oder die Stärke des politischen Gegners für den geringen Einfluß verantwortlich macht, sondern den Grund in der Verfassung sucht, ist eine typische Ausweichbewegung, die nur von einer klaren Analyse der Lage ablenkt. Das Grundgesetz steht einer Verwirklichung "konservativer" oder "nationaler" politischer Positionen nicht entgehen. Es ist die Basis jeder freiheitlichen Politik. Die JF sollte sich nicht darin beirren lassen, ihren Weg zu gehen: die freiheitlich-demokratische Ordnung des Grundgesetzes zu bejahen und denjenigen entgegenzutreten, die die Freiheit zu verbiegen und zu verstümmeln versuchen.

Franz Müller, Nürnberg

 

 

Zur Serie der JF über den 20. Juli

Großartig

Diese Serie der JF finde ich großartig. Sie wird wohl die einzige bleiben, die sich so ausführlich mit dem Widerstand 1944 befaßt, und ich werde mir die einzelnen Biographien aufheben.

Aber ich möchte darauf hinweisen, daß der Autor des ersten Lebenslaufes - "Der Mann im Hintergrund" - einen krassen Fehler gemacht hat. Er schreibt im letzten Absatz von dem "Gerücht von Hitlers Tod". Aber das war kein Gerücht, sondern eine Behauptung von Stauffenberg, an der er fast bis zu seinem eigenen Tod festhielt. Und ihm wurde geglaubt!

Ich halte außerdem den Titel der Serie für ganz verfehlt. Es ging am 20. Juli 1944 nicht um den Widerstand um Stauffenberg, so wichtig - und verhängnisvoll! - seine Rolle auch war. Das Attentat (und ein Teil der Vorbereitungen) war seine Sache. Der Widerstand und der Staatsstreich wurden von vielen getragen, von denen übrigens nicht wenige das Attentat nicht bejahten.

Brigitte Anderson, Ponte Tresa/Schweiz


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