© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 23/04 28. Mai 2004

Künftig noch stärkerer Protest
Dokumentation: Dieter Stein über die Konsequenzen aus der Medienkampagne im "Fall Hohmann"
Dieter Stein

Der "Fall Hohmann" ist die Chiffre für eine Krise. Es ist unmöglich, die Rede vom 3. Oktober 2003, die zum Aufhänger einer der größten politischen Kampagnen der letzten Jahre genommen wurde, isoliert zu betrachten.

Der "Fall Hohmann" ist einer der empörendsten Auswüchse der "Political Correctness", eines totalitären Klimas, das unser Land fest im Griff hat. Wie auf einer Perlenkette reihen sich die Kampagnen aneinander, bei denen immer wieder einzelne Persönlichkeiten skandalisiert und wie bei einer Art Säuberung erledigt werden sollen.

Stellvertretend seien genannt: Hellmut Diwald, Ernst Nolte, Philipp Jenninger, Steffen Heitmann, Martin Walser, Jürgen Möllemann - und nach Martin Hohmann sowie Reinhard Günzel nun Konrad Löw.

In all diesen Kampagnen wurde dem Publikum demonstriert, wie es um die Realität des Grundrechts auf Meinungsfreiheit bestellt ist und wie die politischen und publizistischen Kräfte in diesem Land verteilt sind. Wenn es noch ein freiheitliches, bürgerliches, konservatives Lager in Deutschland gibt, dann verfügt es nicht mehr über die Kräfte, um in geschichtspolitischen Debatten die Initiative zu übernehmen und sich in geschichtspolitischen Kampagnen auch durchzusetzen.

Die großen, nicht-linken Medien in Deutschland, die Frankfurter Allgemeine Zeitung, die Zeitungen des Springer-Verlages und die bürgerlichen Parteien CDU/CSU und FDP sind auf dem Feld der Geschichtspolitik in einer strategischen Defensive, in der sie quasi auf Knopfdruck politisch erpreßbar sind und über nahezu keine Widerstandskräfte mehr verfügen.

Erinnern Sie sich an die Lage während des im Jahr 2000 von Gerhard Schröder ausgerufenen "Aufstandes der Anständigen", wo es Rot-Grün sogar gelungen ist, die Unionsführung in Berlin am 9. November 2000 in eine Demonstration quasi gegen sich selbst zu zwingen, eine Union, die die Formel vom sogenannten "Kampf gegen Rechts" widerstandslos hingenommen hat.

In einem Gespräch mit der JUNGEN FREIHEIT hat der brandenburgische CDU-Innenminister Jörg Schönbohm zwei Jahre später auf die Frage geantwortet, ob die Union inzwischen kapiert habe, daß es beim "Kampf gegen Rechts" nicht wirklich um das Problem des Rechtsextremismus geht, sondern darum, die Union unter Druck zu setzen: "Ich bin sicher, daß das auch die Wohlmeinenden in der Partei spätestens mit dem 9. November 2000 eingesehen haben. Ein zweites Mal wird sich eine solche Situation nicht wiederholen." Wir wissen: Die Union hat - bis auf eine Minderheit - nichts daraus gelernt.

Vielmehr ist die Union bei wesentlichen politischen Fragen nicht mehr zum Durchstehen eigener Kampagnen in der Lage, sondern zieht sich aus nackter Angst vor Gegenwind selbst die Zähne. Treffend hat dies die CDU-Bundestagsabgeordnete Vera Lengsfeld Anfang des Jahres im Nachgang zur Hohmann-Affäre in einem Interview erklärt:

"Viele aus der CDU kommende Debatten sind bereits von der CDU wieder abgewürgt worden, sei es die Leitkultur-, Doppelstaatsbürgerschafts- oder Patriotismus-Debatte. Sobald das rot-grüne Medienkartell Empörung inszeniert, finden sich Unionspolitiker, die diese Debatte 'unerträglich' nennen. Danach wird mit Zitaten von Unionspolitikern gegen die Union Front gemacht. Wir müssen diesen verhängnisvollen Mechanismus durchbrechen."

Und um nichts anderes geht es beim sogenannten Fall Hohmann. Es ging bei dieser Affäre in Wahrheit nicht um diese Neuhofer Rede, sondern um die Themen und die Richtung, für die Hohmann und immer noch ein Teil der Union steht.

Es herrscht aber regelmäßig der Glaube vor, solche Kampagnen seien "überraschend" und seien isoliert aus dem konkreten Fall heraus zu erklären. Viele weigern sich, zu erkennen, daß hinter diesen Kampagnen ein strukturelles Dilemma der Konservativen steckt.

Statt sich mit den eigenen Defiziten und der Kampagnenunfähigkeit auseinanderzusetzen, glaubt man, durch "Aussitzen" der Kampagnen und opportunistische Anpassungsbewegungen Boden gutzumachen.

Mustergültiges Beispiel für dieses Verhalten ist der nordrhein-westfälische CDU-Chef Jürgen Rüttgers. Rüttgers war selbst im Jahr 1999 im damaligen Landtagswahlkampf wegen einer - zugegebenermaßen wenig geistreichen - Wahlkampf-Parole "Kinder statt Inder" ins Visier einer linken Kampagne geraten. Rüttgers spielt sich seitdem als der Saubermann der CDU auf. Rüttgers erhob als erster die schwersten Vorwürfe gegen Hohmann, als die Medienkampagne losbrach, Rüttgers forderte als erster dessen Kopf, Rüttgers kanzelte auf dem Leipziger CDU-Bundesparteitag am 1. Dezember den Delegierten Leo Lennartz in einem Tobsuchtsanfall vor laufenden Kameras ab, weil dieser als einziger gewagt hatte, das Verhalten der Unionsführung im Fall Hohmann zu kritisieren.

Der Ausfall gipfelt in der Feststellung, daß er mit solchen Leuten wie Lennartz "nicht in einer Partei zu tun haben will". Und: "Sie sind zum letzten Mal Delegierter auf einem CDU-Parteitag gewesen."

Derselbe Jürgen Rüttgers wird seit dem 26. Februar in einer Antifa-Ausstellung in Köln gemeinsam mit einer ganzen Reihe von prominenten Unionspolitikern in die Nähe des Rechtsextremismus gerückt. Die Stadt Köln stellt dieser Ausstellung mit dem Namen "Rechts um und ab durch die Mitte" öffentliche Räume zur Verfügung. Es sind die ehemaligen Räume der Kölner Gestapo. Eröffnet wurde diese Ausstellung durch eine feierliche Rede des Bürgermeisters Josef Müller. Von wem wird die Stadt Köln regiert? Von der CDU in einer Koalition mit den Grünen. Welches Parteibuch hatte dieser Bürgermeister Müller? Das der CDU.

Die JUNGE FREIHEIT hat diesen CDU-Bürgermeister gefragt, warum er eine Ausstellung eröffnet hat, in der neben Rüttgers seine Parteifreunde Volker Rühe, Günther Beckstein, Vera Lengsfeld, Norbert Geis, Heinrich Lummer und andere mit Rechtsextremismus in Verbindung gebracht werden. Dieser Mann hat erklärt:

Er habe doch nur Oberbürgermeister Fritz Schramma (ebenfalls CDU) dort vertreten. Natürlich habe er die Schautafeln gesehen, aber was hätte er - der Bürgermeister - denn schon dagegen ausrichten können? Er sei nur schnell hin und dann wieder ganz schnell weg. Protest? Aber damit würde er doch nur die Ausstellung aufwerten. Nein, er werde nichts unternehmen, um solche Veranstaltungen künftig zu verhindern.

Und was tut der CDU-Landesvorsitzende Jürgen Rüttgers? Nichts.

Seit Beginn des sogenannten "Aufstandes der Anständigen" im Jahr 2000 sind laut Berliner Zeitung in von der Bundesregierung finanzierte Projekte im Rahmen des "Kampfes gegen Rechts" 182 Millionen Euro geflossen. Nochmal: 182 Millionen Euro. Das sind rund 360 Millionen Mark.

Aus diesen Fördergeldern finanziert sich unter anderem auch die Kölner Ausstellung, in der CDU-Politiker in Zusammenhang mit Neonazis gebracht werden.

Bisher hat die Union keinen Vorstoß unternommen, diese Ausstellung zu stoppen, geschweige denn, diese wahnsinnige Verschwendung von Steuergeldern durch Projekte des sogenannten "Kampfes gegen Rechts" anzugreifen: Projekte, die sich samt und sonders als politische Vorfeldprojekte von Rot-Grün und Linksextremisten verstehen!

Solange diese Zusammenhänge von Parteipolitikern, Journalisten und Publizisten im bürgerlichen Lager nicht begriffen werden, wird sich Kampagne an Kampagne reihen. Dann wird es nicht beim Fall Hohmann bleiben. Und nicht beim Fall Löw. In vermutlich stetig dichterer Taktfolge, wahrscheinlich insbesondere dann, wenn die SPD im Keller ist und die Union Wahlen zu gewinnen droht, werden - vor allem geschichtspolitische - Kampagnen die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit bannen und das bürgerliche Lager systematisch unter Druck setzen.

Es ist nun das große Verdienst von Fritz Schenk, in seinem Buch "Der Fall Hohmann" die Anatomie einer solchen politischen Kampagne exemplarisch minutiös aufgezeichnet zu haben. Anhand seiner Darstellung ist es nun möglich, alle wesentlichen Dokumente, Reden und Äußerungen der Protagonisten in Politik und Medien nachzulesen, die den Verlauf dieser Kampagne bestimmten.

Vor allem hat Fritz Schenk in seinem Buch herausgearbeitet - ich zitiere ihn: "Eine Hauptverantwortung dafür, daß die CDU-Chefin Angela Merkel aber zwei Wochen später kapituliert, liegt nicht bei den linken Medien, sondern bei der bürgerlichen Presse, allen voran den Springer-Blättern."

Der Fall Hohmann ist auch ein totales Versagen des sogenannten "bürgerlichen" Qualitätsjournalismus in Deutschland.

Es ist Fritz Schenk und seinen Freunden zudem gelungen, eine Initiative ins Leben zu rufen, die Initiative "Kritische Solidarität mit Martin Hohmann", die erstmals in einer bisher nicht gekannten Form für breite öffentliche Solidarisierung mit einem Kampagnen-Opfer gesorgt hat.

Mit einer Handvoll Aktivisten ist es Fritz Schenk innerhalb von kurzer Zeit gelungen bis heute über 7.000 Menschen, überwiegend Mitglieder der Unionsparteien, dazu zu bewegen, einen Solidaritätsappell mit Martin Hohmann zu unterzeichnen. Einen solchen öffentlich artikulierten Protest hat es in einem vergleichbaren Fall in den letzten Jahrzehnten nicht gegeben.

Kennzeichen vieler bisheriger Kampagnen war nämlich die schlagartige soziale Isolierung des Betroffenen, der von seiner Partei, seinem beruflichen oder medialen Umfeld fallengelassen wird wie eine heiße Kartoffel.

Wenn es auch so aussehen mag, daß der Ausschluß Martin Hohmanns aus der CDU nicht abzuwenden ist, so hat die Initiative Fritz Schenks eines in jedem Fall vorexerziert: Wer einen konservativen Politiker oder Publizisten angreift, muß mit Solidarität und Widerstand rechnen. Wenn Konservative und sich der Political Correctness widersetzende Nonkonformisten ausgegrenzt und mundtot gemacht werden, muß in Zukunft mit stärkerem Protest und Widerstand gerechnet werden.

Feigheit und Opportunismus dürfen nicht als Wohlverhalten belohnt, sondern müssen sozial geächtet werden.

Foto: Vortragssaal des Berliner Kollegs: Hinter der "Hohmann-Kampagne" steckt ein strukturelles Dilemma der Konservativen


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