© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 23/04 28. Mai 2004

Teilen und beherrschen
Enteignungen in Ostdeutschland: Unter öffentlichem Druck gelingt immer wieder die Spaltung der Vertriebenen / BdV distanziert sich von Preußischer Treuhand
Moritz Schwarz

Horst O. ist sauer. So sauer, daß er sogar sein Geld zurück will: "Ich hatte im Mai 2003", so schrieb er Ende April in einem Brief an die Stiftung Zentrum gegen Vertreibungen (ZgV), "100 Euro gespendet. Da sich aber allmählich herauskristallisiert, daß dieses Zentrum nicht die Ziele verfolgt, die sich die deutschen Vertriebenen vorstellen, möchte ich meine Spende zurückhaben!"

Als "gegenstandslos" bewertet man diese Vorwürfe dagegen auf JF-Nachfrage im Sekretariat des ZgV in Wiesbaden. Und die Spendenrückforderung Herrn O.s? "Ein Einzelfall", heißt es gelassen, im übrigen sei ein Antwortbrief in Vorbereitung.

Auslöser für den Zorn Horst O.s ist das Verhalten der Stiftung ZgV und des Bundes der Vertriebenen (BdV) gegenüber der Preußischen Treuhand GmbH (PT), einer Interessengemeinschaft von Enteigneten aus den geraubten Ostgebieten des Deutschen Reiches (siehe JF 8/04). Doch ZgV und BdV haben mittlerweile klargestellt, daß sie mit der PT nichts zu tun haben wollen, was offenbare - so vermutet Horst O. -, wie die deutschen Vertriebenen "mal wieder ausgetrickst, ruhig- und kaltgestellt" werden sollen.

Die im Januar 2003 gegründete Preußische Treuhand widmet sich - nach dem Vorbild der Jewish Claims Conference - der Sicherung und Rückgabe des nach dem Zweiten Weltkrieg konfiszierten Eigentums von aus dem Osten vertriebenen Deutschen. Pikant ist dabei, daß die PT zwar vom BdV unabhängig ist, die Landsmannschaft Ostpreußen sowie die Landsmannschaft Schlesien - beide Mitglied im BdV - jedoch 40 beziehungsweise 10 Prozent der Anteile an der Gründungsgesellschaft der Treuhand halten, die "auf Aktien" organisiert ist - der Rest verteilt sich auf Privatpersonen.

Geschaffen wurde die Preußische Treuhand sozusagen auf Privatinitiative von Vertriebenen. Dennoch kann man sie quasi als den privatrechtlichen Arm der Eigentumsinteressen der Vertriebenen begreifen, während der BdV als politischer und das ZgV als geschichtspolitischer Arm betrachtet werden können - verschiedene Instrumente für verschiedene Aufgaben im Kampf für die Rechte der deutschen Heimatvertriebenen. Gegen diese Betrachtungsweise haben sich BdV und ZgV jedoch inzwischen wiederholt verwahrt. Man "mißbillige", so das ZgV in einer Erklärung, "die Aktivitäten der Preußischen Treuhand", denn "jede Form von materieller Aufrechnung wird die Fronten (zwischen Polen und Deutschland) weiter verhärten".

Erika Steinbach steht wieder unter Druck

Ähnlich der BdV, der wiederholt mitteilte, "keine personellen, inhaltlichen oder strukturellen Kontakte zur PT zu haben" und "auch nicht haben zu wollen" - ja, sogar "unter Androhung gerichtlicher Schritte" der PT untersagt hat, "in ihrem Internetauftritt eine Nähe zum BdV und seinen Mitgliedsverbänden zu suggerieren".

Und tatsächlich grenzt man die Treuhand konsequent aus: So zum Beispiel bei einer Fachtagung der Kulturstiftung der Vertriebenen Anfang März 2004 in Königswinter, wo der PT die Bitte, sich präsentieren zu dürfen, verwehrt wurde. Oder jüngst bei einer Veranstaltung des BdV-Landesverbandes Brandenburg in Falkenrehde bei Potsdam, wo am vergangenen Samstag der PT-Geschäftsführer und Vorsitzende der Landsmannschaft Schlesien Rudi Pawelka erst nach der offiziellen BdV-Veranstaltung auftreten durfte. Mittlerweile fühlen sich die Schlesier, die an der Treuhand festhalten, von BdV und ZgV an den Pranger gestellt.

Kein Wunder, daß sich einzelne Vertriebene die Augen reiben, wie ihre eigenen Interessenorganisationen gegeneinander vorgehen - sich, statt gemeinsam an einem Strang zu ziehen, "teilen und beherrschen" lassen. Die Empörung ist um so größer, weil hinter dem Verhalten der offiziellen Vertriebenenverbände natürlich auch der Einfluß des Bundesinnenministeriums steckt.

Dieses soll zum Beispiel die Veranstaltung in Königswinter bezuschußt und gleichzeitig den Auftritt der PT dort untersagt haben. Weder die Kulturstiftung der Vertriebenen noch das Bundesinnenministerium wollten jedoch auf JF-Anfrage bis Redaktionsschluß dazu Stellung nehmen.

Wieder einmal steht also BdV-Chefin Erika Steinbach, die zugleich der ZgV-Stiftung vorsteht, von allen Seiten unter Druck, denn ihre Verhandlungspartner in Politik und Öffentlichkeit, die sie zum Beispiel für die Realisierung des Zentrums gegen Vertreibungen in Berlin braucht, dringen vehement auf die Distanzierung von der PT. "Die Bundesregierung möchte die Treuhand am liebsten ausschalten, sie hat keine Scheu, dazu sogar BdV und ZgV zu instrumentalisieren", heißt es unter der Hand aus Vertriebenenkreisen.

So mancher fürchtet nun erneut die seit Jahrzehnten sattsam bekannte Doppelfunktion der Vertriebenenverbände: Vertriebeneninteressen zu disziplinieren, statt sie zu organisieren. Ob aber die Funktionäre die Interessen der Vertriebenen tatsächlich verraten oder gerade durch Arrangement mit den Mächtigen vor der totalen Isolation bewahren, liegt im Auge des Betrachters.


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