© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 22/04 21. Mai 2004

Frisch gepresst

Gottfried Benn. Mit der jüngsten Programmauffrischung möchte der Verlag Zweitausendeins seinem linksliberalen Profil offenbar dadurch mehr Relief geben, daß man den schärfsten antiamerikanischen Branntwein ausschenkt. Neben Robert B. Stinnetts sehr angreifbarem revisionistischen Großtext über den japanischen Angriff auf Pearl Harbor (JF 21/04), für den mit einem Tagesspiegel-Lob geworben wird, sollen "Enthüllungen" über die Drogengeschäfte der CIA oder "Muhammed Attas Helfer" aus dem Pentagon Leser locken. Wem derlei Tagesaktualitäten zuwider sind, die den Welthändeln der "einzigen Supermacht" im Minutentakt entspringen, der greife zu der "maßgeblichen Standardausgabe" des zynischen Alteuropäers Gottfried Benn, der sich schon in jungen Jahren an den Zerfall von Körpern wie an den Umgang mit Großreichen gewöhnt hatte. Benns "Gesammelte Werke", in der leider etwas sparsam kommentierten Ausgabe von Dieter Wellershoff, sind in drei starken Leinenbänden mit insgesamt 2.295 Seiten für schlappe 25 Euro zu haben. Wer die Lyrik nicht aushält - für Benns Gedichte gilt Fishermen's friends-Werbung: "Sind sie zu stark, bist Du zu schwach!" -, der beschränke sich zunächst auf die Essays. Anfänger beginnen mit dem unvergleichlichen Text "Kunst und Drittes Reich", den Benn 1941 für die Schublade schrieb. Hier wiederum steige man im zweiten Kapitel ein, die beim homme des femmes Benn so anhebt: "Es sind die Jahrzehnte der Duse als Kameliendame, der Bernhard als l' Aignon, der Lilly Langtry als Rosalinde, und die Völker nehmen bis in weite Schichten daran teil." (Band 1: Gedichte; Band 2: Essays und Aufsätze/ Reden, Vorträge/Prosa /Stücke aus dem Nachlaß/ Szenen; Band 3: Vermischte Schriften /Autobiographische Schriften / Nachträge, Frankfurt 2003).


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