© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 21/04 14. Mai 2004

Frisch gepresst

Erhard und Filbinger. Vergangenes Wochenende veranstaltete die Studienstiftung Weikersheim ihren Jahreskongreß. In ihrer aktuellen Dokumentation (Nr. XXXIV) beschwört man die Konzepte zur Sozialen Marktwirtschaft als nach wie vor stimmige Orientierung aus den derzeitigen aktuellen wirtschaftlichen Problemen. Prominente Autoren der etwa ein Dutzend Aufsätze, vom einstigen Gründervater Ludwig Erhard über den ehemaligen Präsidenten der Studienstiftung Klaus Hornung bis zum Welt-Journalisten Konrad Adam, beschreiben ihre Vision der "Arbeitsteilung zwischen Staat und Wirtschaft". Besonders interessant ist der Text des Mainzer Medienwissenschaftlers Günther Gilles-sen, der die Vorwürfe gegen den Weikersheim-Gründer und ehemaligen Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg, Hans Fil-binger, anhand historischer Fakten rekapituliert und als politische Kampagne vorführt. Die derzeitigen Proteste bei der politischen Linken gegen die Nominierung Filbingers als Wahlmann zur Bun-despräsidentenwahl am 23. Mai - mit den gleichen alten Vorwürfen, er habe als NS-Richter Unrechtsurteile zu verantworten - zeigt, wie aktuell Gillessens Ausführung immer noch sind (Zukunft und Chancen der Sozialen Marktwirtschaft. Weikersheim 2004, 208 Seiten, 6 Euro).

 

Gefahr vom rechten Rand. Bereits der Klappentext beginnt mit einer Fehleinschätzung: Die "braune Szene" in Deutschland - gemeint sind meist nur kommunal organisierte Gruppen, genannt "Kameradschaft" - habe sich "nahezu unbemerkt umstrukturiert". Dies behaupten zumindest die Herausgeber des Buches Andrea Röpke und Andreas Speit, die ihre Erkenntnisse nicht nur öffentlich-rechtlichen Medienanstalten, sondern auch knallhart kommunistischen Szeneblättern wie dem Rechten Rand zur Verfügung stellen. Was von den Autoren alarmistisch zusammengetragen wurde, sind meist Belanglosigkeiten mit maßlosen Übertreibungen - wahrscheinlich zur eigenen Rechtfertigung der Autorenschaft. Fazit: Das einzig Skandalöse am Buch ist dessen Subventionierung durch das Familienministerium (Braune Kameradschaften. Die Netzwerke der militanten Neonazis. Ch. Links Verlag, Berlin 2004, 206 Seiten, 14,90 Euro).

 

Mitläufer. Die 89jährige Berlinerin Lotte Lohde blickt zurück auf die Zeit ihrer Jugend in der entbehrungsreichen Zeit nach der Weltwirtschaftskriese bis zur Flucht der Kriegerwitwe mit drei Kindern aus Schlesien 1945. Mit dem Wissen der Rückschau und der Weisheit des Alters versucht sie die Beweggründe zu klären, warum sie der NS-Bewegung willig folgte (Wir Mitläufer. Erinnerungen, Überlegungen, Vermutungen. Verlag S. Bublies, Schnellbach 2004, 255 Seiten, 14,95 Euro).


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