© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 20/04 07. Mai 2004

Frisch gepresst

Freiwillig DDR. Die niederländische Schauspielerin Cox Habbema verschlug es 1969 nach Ost-Berlin, wo sich ein geplantes Praktikum zum zwanzigjährigen Theaterengagement entwickelte. 35 Jahre später läßt Habbema diese Zeit mit ihrem "DDR-Mief", den "obligatorischen Kohlsalat" und die Entwicklung nach der Wende mit kleinen Anekdötchen Revue passieren. Ihre mangelnde Distanz zum "System", welches sich ihr - trotz des Privilegs der Reisefreiheit - über die Größen des Kulturbetriebes erschloß, blitzt spätestens in der Passage auf, wo sie die Aufarbeitung des Stasi-Unrechts herablassend als kleine Inquisition qualifiziert - dazu noch mit dem ständig nervenden Negativattribut "deutsch". Ihr Freund Gregor (gemeint ist Gysi) ist - das weiß Habbema sicher - zumindest kein Stasi-Spitzel gewesen. Trotz dieser mitleidserregenden, naiven Ausbrüche erhält der Leser interessante Einblicke in das Leben einer überzeugten Linken in Deutschland, die je nach momentaner Befindlichkeit die seltene Möglichkeit des "Systemhoppings" nutzen konnte (Mein Koffer in Berlin oder das Märchen von der Wende. Militzke Verlag, Leipzig 2004, 192 Seiten, gebunden, 19,90 Euro).

Antisemitismusdebatte. Bundespräsident Johannes Rau hat auf der Antisemitismuskonferenz Ende April in Berlin erneut darauf hingewiesen: Niemand habe das Recht, Kritik an der Politik der israelischen Regierung als antisemitisch zu diskreditieren. Allerding müsse "man sauber trennen", denn "jeder wisse, daß dahinter manchmal massiver Antisemitismus" stecke. Wer genau "jeder" ist - und vor allem, welcher "man" hier denn die "saubere Trennung" vornehmen soll -, ließ Rau im unklaren. Beantworten könnte diese Frage vielleicht der frühere Abgeordnete der grünen Fraktion im nordrhein-westfälischen Landtag Jamal Karsli. Im Frühjahr 2002 äußerte der in der Friedensbewegung sozialisierte Deutsch-Syrer seinen Unmut über Scharons Politik in den besetzten Palästinensergebieten, was ihn - begleitet von einer Medienkampagne - nacheinander den Ausschluß aus der Grünenfraktion und nach vorübergehendem Unterschlupf in Möllemanns FDP auch den dortigen Ausschluß einbrachte. In seinem Buch chronologisiert Karsli noch einmal "seinen Fall". Den Antisemitismusvorwurf sieht er dabei klar gegen sich instrumentalisiert (Der Fall Karsli. Eine Antisemitismusdebatte. Tebbert Verlag, Sendenhorst 2003, 293 Seiten, gebunden, 17,90 Euro).


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