© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 20/04 07. Mai 2004

Handlung Nebensache
Kino I: "Van Helsing" von Stephen Sommers
Claus-M. Wolfschlag

Die mediale Flut an Informationen, Bildern, Geschichten macht es jungen Autoren, Künstlern und Filmemachern zunehmend schwer, originäre, innovative, das eigene Profil darstellende Werke zu erschaffen. Das Renaissance-Bild der eigenständigen Künstlerpersönlichkeit verliert angesichts jener Erkenntnis in die nur bescheidene eigene Rolle als kleines Glied in einer langen Kette kultureller Äußerungen zunehmend an Bedeutung. Einige zerbrechen daran, andere verlieren sich in artifizieller Spielerei, und dritten wiederum ist dies egal, solange sich viel Geld damit verdienen läßt.

Stephen Sommers, Regisseur, Drehbuchautor und Produzent in Personalunion, muß wohl letzter Kategorie zugeordnet werden. Schon mit seinen Remakes "Die Mumie" und "Die Mumie kehrt zurück" konnte er fast eine halbe Milliarde Dollar einspielen.

Seine wirtschaftlichen Erfolge brachten Sommers einen Dreijahresvertrag bei der Verleihfirma Universal Pictures ein. Da liegt es auf der Hand, erneut ein tricktechnisch aufwendiges Pop-Spektakel zu inszenieren, das sich erfolgreicher Roman- und Kino-Stoffe bedient und gar als Auftakt zu einer geplanten Fantasy-Fernsehserie "Transsylvania" ausbaubar ist.

Die Handlung ist Nebensache: Der von einem vatikanischen Orden eingesetzte Vampirjäger Van Helsing (Hugh Jackman) wirkt wie eine Mischung aus "The Shadow" und dem Star eines Italo-Westerns der 1970er Jahre. Sein Auftrag, Graf Dracula zu töten, erweist sich als pikant.

Dracula hat mit seinen drei Bräuten Tausende chimärenartige Nachkommen gezeugt, die wie das berühmte "Alien"-Monster in schleimigen Kokons brüten, um bald schlüpfen zu können. Um diese danach mit wichtiger Lebensenergie zu füllen, entführt Dracula das berühmte Frankensteinsche Monster, und schließt es an eine Stromübertragungsapparatur an, die mit den Kokons verbunden ist. Van Helsing hingegen versucht das gutmütige Monster zu befreien und Draculas Plan zu vereiteln. Hilfe eilt ihm in Form der schönen Anna (Kate Beckinsale) entgegen. Doch um den Vampir letztendlich zu töten, bedarf es eines Werwolfs ...

Alles ist nur Entertainment und Oberfläche in diesem Potpourri, das sich "Van Helsing" nennt und der Sparte der Multi-Monster-Filme zuzuordnen ist. Dieses Strategiekonzept aus der eklektischen Kombination mehrerer überlieferter Stoffe und literarischer Figuren wurde bereits in den 1940er-Jahren in den USA bemüht, mit Filmen wie "Frankenstein meets the Wolfman" oder "House of Dracula", um dann in Vergessenheit zu geraten.

In neuester Zeit wurde dann, womöglich in Ermangelung eigenständiger Stoffe, auf die Patchwork-Phantastik Rückgriff genommen, in Filmen wie "Die Liga der außergewöhnlichen Gentleman" oder "Underworld", ebenfalls mit Kate Beckinsale in einer Hauptrolle.

In "Van Helsing", einer hanebüchenen Geschichte um Bram Stokers berühmten Vampirjäger, ist alles Pop. Laute Actionszenen und Zitate in irrwitziger Übersteigerung und rasanter Folge werden bemüht, und ermüden schnell. Und eine zweifellos brillante Tricktechnik erdrückt jede ernsthafte Handlung und Dramaturgie.

Foto: Graf Dracula (Richard Roxburgh) mit seinen Bräuten Verona, Marishka und Aleera


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