© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 19/04 30. April 2004

Frisch gepresst

Vergangenheitsbewältigung. Der emeritierte Staats- und Völkerrechtler Ingo von Münch, von 1987 bis 1991 als FDP-Koalitionspartner Zweiter Bürgermeister in Hamburg, betrachtet unaufgeregt und streng juristisch den Strafprozeß gegen Friedrich Engel, den "Leiter des Außenkommandos Genua der Sicherheitspolizei und SD". Als Verantwortlicher sollte er für die als "Sühneaktion" für einen Sprengstoffanschlag von Partisanen auf deutsche Soldaten erfolgte Geiselerschießung von 59 italienischen Zivilisten im Jahre 1944 büßen. Am Ende sollte der inzwischen 94jährige Engel wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt werden. Vorliegende Tatbestandsmerkmale für Mord schätzt von Münch als nicht ausreichend ein - zumal unter den Voraussetzungen eines Krieges. Der Staatsrechtler wittert hinter dem Urteil von 2002 auch eine gewisse Form der "Vergangenheitsbewältigung durch Richter", die sich mehr an der Geschichtsschreibung als an Recht und Gesetz orientieren: "Moralisch betrachtet war die Exekution verwerflich; juristisch beurteilt war sie aber kein Mord im Sinne des deutschen Strafgesetzes." (Geschichte vor Gericht. Ellert & Richter Verlag, Hamburg 2004, 176 Seiten, gebunden, 14,95 Euro)

Irrtümer. Normalerweise strebt die literarische Bezeichnung "Lexikon" etwas möglichst Umfassendes zu einem Themenspektrum an. Der Hobbyhistoriker Hans-Dieter Otto scheut vor diesem Generalitätsanspruch nicht zurück, sondern wendet ihn sogar dort an, wo selbst ein ganzes Heer von Wissenschaftlern scheitern muß: bei "militärischen Irrtümern". Genau genommen ist der Irrtum nämlich "Mutter jedes militärischen Konfliktes" in der Weltgeschichte gewesen - meist folgenreich für den Besiegten. Deshalb kann jeder Versuch, dieses militärhistorische Werk zu schaffen, nur zum Scheitern verurteilt sein, was Otto selbst im Vorwort verschmitzt zugesteht. So bleibt sein Buch denn auch im Stadium eines nett gemeinten historischen Lesebuches stecken, was nicht nur das populärwissenschaftliche Quellenverzeichnis dokumentiert. Ärgerlich stoßen bei der willkürlichen Konflikt-Auswahl "von Salamis bis zum Irak-Krieg" Verallgemeinerungen und Schnitzer auf wie die Verortung der Arminius/Varus-Schlacht "in die waldigen Höhen des Weserberglandes" statt nach Kalkriese an den nördlichen Fuß des Wiehengebirges (Lexikon der militärischen Irrtümer. Herbig Verlag, München 2004, 367 Seiten, 24,90 Euro).


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