© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 18/04 23. April 2004

LOCKERUNGSÜBUNGEN
Integration
Karl Heinzen

Die Republik Österreich ist, so hat ihr Innenminister Ernst Strasser bekanntgegeben, bereit, den EU-Partnern einen Zugriff auf eigene Datenbanken - darunter offenbar auch solche nachrichtendienstlicher Provenienz - einzuräumen, sofern diese im Gegenzug eine gleiche Offenheit an den Tag legen. Was auf den ersten Blick so harmlos wie die Ankündigung einer Verwaltungsvereinfachung klingen mag, ist mit Recht als ein Signal verstanden worden. Die Europäische Union wird immer größer und ihre Integration immer dichter. Man debattiert über Abstimmungsmodalitäten, Verfassungsgrundsätze und Bürgerrechte. Jedes Detail der Agrarproduktion und der Warenetikettierung wird geregelt. Nur auf dem Gebiet der inneren Sicherheit herrschen Zustände, als hätten wir es immer noch mit Staaten des 20. Jahrhunderts zu tun. Dabei ist die Zeit längst reif, darüber nachzudenken, ob wir nicht - nach dem Vorbild der amerikanischen CIA - einen europäischen Geheimdienst brauchen.

Dank der Terrorgefahr müßten die Anregungen Strassers eigentlich auf einen fruchtbaren Boden fallen. Und doch melden sich, nicht allein im reformresistenten Deutschland, die Bedenkenträger zu Wort. Viele meinen, mit ein bißchen mehr Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen nationalen Nachrichtendiensten wäre es doch eigentlich schon getan. Man müßte ja nur das, was jetzt bereits gelegentlich informell und auf ungesicherter rechtlicher Grundlage geschehe, zu einer juristisch sauberen und von politischer Willensbekundung flankierten Routine werden lassen.

Wer einer derartigen Auffassung anhängt, verkennt aber die großen Herausforderungen, vor denen Europa steht. Ab Mai wird die EU auf 25 Mitglieder angewachsen sein, schon in drei Jahren dürften weitere hinzukommen. Bevor sie etwas zu einer Stärkung der europäischen Macht beisteuern können, tragen sie erst einmal Unsicherheit hinein. Wie stabil sind ihre politische Strukturen? Wie verläßlich sind ihre Eliten in Politik, Wirtschaft und Medien wirklich? All dies wird man ja wohl kaum durch die bloß punktuelle bilaterale Zusammenarbeit im vor der Öffentlichkeit geschützten Bereich überprüfen können. Wenn man sich schon eine europäische Verfassung gönnt, darf man natürlich auch einen europäischen Verfassungsschutz nicht vergessen. So manche innenpolitische Abnormität bei einigen unserer neuen Partner deutet darauf hin, daß er reichlich zu tun bekommen dürfte.

Darüber hinaus könnte ein solcher Nachrichtendienst auch nach außen neue Akzente setzen. Eine Weltmacht Europa wird sich in der Konkurrenz mit den USA schließlich nur behaupten können, wenn sie vor CIA-Methoden nicht zurückschreckt. Genau davor scheuten sich die meisten EU-Mitglieder jedoch, aus ihrer Schwäche eine Tugend machend, bislang. In Zukunft könnten sie sich gegenüber den Bedenken der nationalen Öffentlichkeit hinter einer europäischen Institution verstecken - und zugleich von dieser profitieren.


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