© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 17/04 16. April 2004

Krieg dem Atheismus
Der Philosoph Peter Kreeft ruft zum "ökumenischen Djihad" auf
Georg Alois Oblinger

Der Krieg hat schon längst begonnen - das ist die Ausgangsthese des amerikanischen Philosophieprofessors Peter Kreeft in seinem provokanten Buch "Ökumenischer Djihad?". Wie zahlreiche Kriege der Vergangenheit, so ist auch dieser Krieg religiöser Natur. Es ist allerdings kein Krieg verschiedener Religionen gegeneinander, sondern ein Krieg, bei dem alle Religionen gemeinsam gegen den Atheismus kämpfen.

Der Atheismus ist nach Kreeft verantwortlich für den heutigen moralischen Verfall: In der Zeit zwischen 1955 und 1995 stieg die Scheidungsrate in den USA von zehn auf fünfzig Prozent; die Gewaltkriminalität erlebte eine Steigerung um fünfhundert Prozent, die der Jugendkriminalität gar um fünftausend Prozent. Das größte Übel aber ist die Abtreibung. Ein Drittel aller gezeugten Kinder werden abgetrieben; 99 Prozent aller Morde geschehen an ungeborenen Kindern.

Dieser Entmenschlichung durch einen teuflischen Zeitgeist sagt der Konvertit Peter Kreeft den Kampf an. Auf den Schlachtfeldern Erziehung, Journalismus und Unterhaltung will er den geistigen Kampf austragen. Er vertritt die Auffassung, daß die meisten Übel im sexuellen Bereich ihre Wurzeln haben: Homosexualität, Abtreibung, Scheidung, außerehelicher Geschlechtsverkehr, Verhütung. Gerade hier liegt die Gemeinsamkeit der unterschiedlichen Religionen: Sie verteidigen die Sexualmoral. War früher Unmoral wohl der größte Vorwurf, so ist es für den Menschen von heute die größte Beleidigung, ihn als "Fundamentalisten" oder als "Fanatiker" zu bezeichnen. Moralische Vergehen werden heute toleriert, ein leidenschaftliches Eintreten für die Wahrheit hingegen wird geächtet.

Stilistisch tritt Kreeft in die Nachfolge der christlichen Apologeten Gilbert Keith Chesterton (1874-1936) und Clive Staples Lewis (1898-1963). Er argumentiert unterhaltsam, anschaulich und streng logisch. Wie Chesterton Essays schrieb zur Verteidigung des Unsinns, des Schundromans oder der Kitschfiguren, so verteidigt Kreeft in seinem Buch den Fanatismus, den Djihad und die "Kulturkämpfe". Auch sein Vorbild Lewis zitiert er häufig und läßt ihn eine fiktive Diskussion mit Thomas von Aquin und Martin Luther führen.

Im Gegensatz zu jenen, die heute für Ökumene oder interreligiösen Dialog eintreten, tritt Peter Kreeft einer Einigung auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner scharf entgegen. Ökumenischer Djihad bedeutet für ihn gerade, daß jeder seinen Glauben besonders ernst nehmen soll. So ist es nur logisch, daß er, der im Alter von 21 Jahren vom Calvinismus zur katholischen Kirche übertrat, die Anbetung der heiligen Eucharistie und die Verehrung Mariens als wichtige geistliche Waffen in diesem "Kampf der Kulturen" betrachtet. So ruft der Autor nicht nur auf zur Werteerziehung und zum öffentlichen Engagement gegen den moralischen Verfall, sondern auch zum Gebet, das für ihn immer noch die stärkste Waffe ist. Problematisch bleibt allerdings seine These, daß Orthopraxie immer auch zur Orthodoxie führt, daß also rechtes Handeln automatisch zum rechten Glauben führt.

Schließlich stellt sich noch die Frage, ob Kreefts Analyse der Situation in Europa und speziell in Deutschland gerecht wird. Gab es in den siebziger Jahren bei uns nur drei Moscheen, so sind es heute 141 Moscheen mit Minarett; allein im vergangenen Jahr hat sich die Zahl nahezu verdoppelt. In vielen Schulen wird islamischer Religionsunterricht angeboten, in Berlin seit diesem Schuljahr sogar buddhistischer Religionsunterricht. Vielleicht ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis auch die Mormonen, die Zeugen Jehovas und die Scientologen ihren Religionsunterricht erhalten oder - wie in Belgien die islamische Feiertage staatlich geschützt werden - demnächst auch alle ihre Feiertage erhalten. Bleibt also die Frage: Gehen wir einer islamischen, einer multikulturellen oder einer atheistischen Zukunft entgegen?

Zu Recht macht uns Peter Kreeft auf die Gefahren des staatlichen Atheismus aufmerksam, und von dieser Gefahr ist in der öffentlichen Diskussion selten die Rede. Man kann einer Schülerin das Tragen des Kopftuchs nicht verbieten, wenn die säkularisierte Banknachbarin ihren gepiercten Bauchnabel frei zeigen darf. Beide Augen müssen offen bleiben.

Peter Kreeft: Ökumenischer Djihad? Religionen im globalen Kulturkampf. Sankt Ulrich Verlag, Augsburg 2004, 160 Seiten, gebunden 18,90 Euro


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