© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 16/04 09. April 2004

Propaganda: Antifaschistische Ausstellungen und ihre Werber
Mundgerecht für Zehnjährige
Steffen Königer

Nicht allein die Ostalgiewelle zeugt davon, daß vom Arbeiter- und Bauernstaat weit mehr übrig ist als bislang befürchtet. Während unkorrekte Erwachsene sich vor der Wende vor der Stasi fürchten mußten, versuchte die Staatsmacht schon die Kleinkinder mit kleinen Kniffs und Tricks auf Linie zu trimmen - oder zumindest mehr über ihr Familienleben auszuforschen. Mit einem Lächeln denkt man heute an die Zeiten zurück, in denen Kindergartenkinder gefragt wurden, ob denn das Sandmännchen einen Bart habe oder die Uhr vor den Nachrichten Striche oder Punkte besitze - nur um zu erfahren, ob die Eltern Westfernsehen schauten. Damals wurde der Heranreifende so manches Mal mit richtig geschickt getarnter Propaganda gefüttert, wenn hoher Besuch aus Bruderstaaten kam oder eine Weltneuheit aus Ruhla auch dem letzten DDR-Bürger als Sieg des Sozialismus angepriesen wurde.

Leider scheint sich jetzt erneut die Propaganda in Kinderreichweite zu befinden. Davon zeugt nicht nur die Kölner Antifa-Ausstellung, über die die JF bereits in den letzten Ausgaben ausführlich berichtete. Die Ausstellung, die CDU-Bundestagsabgeordnete in die Nähe des Rechtsextremismus rückt, soll auf Tour durch Schulen gehen. Sie war schon an zwei Kölner Schulen und Universitäten zu sehen und soll nun - Recherchen der JF zufolge - vom 26. April bis 15. Mai an der FH Köln, vom 1. Juni bis 14. Juni an der FH Münster, vom 25. Oktober bis zum 4. November bei der Naturfreundejugend Bremen und eventuell Ende Juni 14 Tage in der Gesamtschule Rodenkirchen/Köln zu sehen sein. Laut Angaben der Veranstalter kostet die Ausstellung 150 Euro Leihgebühr. Es sind "vier große Koffer, die bei umgeklappter Rückbank in ein Auto von der Größe eines Golfs passen".

Zu einem Vorbild solcher diffamierenden Ausstellungen der Nachwendezeit gehört die Anti-Wehrmachtsausstellung, die auch in der nachgebesserten Version umstritten ist. Die erste Ausstellung sahen in 33 Orten nach Angaben des Hamburger Institutes für Sozialforschung 800.000 Besucher, durch die zweite wurden in den letzten drei Jahren in 13 Orten 420.000 hindurchgeschleust. Da stimmt es um so trauriger, wenn die "Werbung" für diese Wanderausstellung vor kurzem in "Geolino", einer Geo-Ausgabe im Weltnetz, die ausschließlich für Kinder bestimmt ist, mundgerecht für zehnjährige erklärt wird. Die Satzformulierungen werden dort nach dem Vorbild von Sesamstraße und Sendung mit der Maus so einfach wie möglich gehalten. Der Leitende Online-Redakteur Jens Rehländer wies im Gespräch mit der JF darauf hin, daß es sich um eine Zielgruppe zwischen zehn und vierzehn Jahren handelt, die Printausgabe sei sogar ab acht empfehlenswert.

So wurde denn im vor drei Wochen im Netz erschienenen Artikel dem Grundschüler erklärt, was Opis Wehrmacht wirklich so alles gemacht hat und warum der eigene Lehrer aufzufordern ist, unbedingt mitsamt Klasse hinzugehen. Rehländer weist gleich am Anfang darauf hin, daß die Ausstellung immer noch umstritten ist, "weil noch heute lebende Angehörige der ehemaligen Wehrmacht gegen sie protestieren". Aber auch junge Leute fänden sich bei den Demos wieder. Rehländer: "Die meisten sind sogenannte 'Neonazis', also Männer und Frauen, die die Politik der Nationalsozialisten gut finden und am liebsten in Deutschland wieder einführen würden." Ach so. Was dann zu den Ursachen von Krieg und Judenpogromen folgt, dagegen war der Staatsbürgerkundeunterricht noch ideologisch neutral: "Und während das übrige Ausland tatenlos zusah, ließ Hitler seine Wehrmachtsoldaten in Gebiete einmarschieren, wo sie nichts verloren hatten: Österreich, Tschechoslowakei, Saarland." Schlußendlich zeige die Wehrmachtsausstellung, "daß es Möglichkeiten gab, Befehle nicht auszuführen, ohne hinterher bestraft oder gar hingerichtet zu werden." So gerüstet, weiß jetzt schon der Zehnjährige, daß seine Groß- oder Urgroßeltern allesamt einfach nur zu feige waren.


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