© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 16/04 09. April 2004

Zeitschriftenkritik: Alternativen
Wirtschaft ohne Wachstum
Werner Olles

Herausgegeben von der "Aktion Dritter Weg (A3W) - Bürgerbewegung Arbeit, Gesundheit, Umwelt, Frieden" und den "Liberalsozialen", einer Minderheitengruppierung im Bündnis 90/Die Grünen erscheint Alternativen - "Zeitschrift für eine ökologische, solidarische, basisdemokratische und gewaltfreie Gesellschaft" - viermal jährlich. Als Ziel gilt laut Impressum eine "Liberalsoziale Ordnung (LSO) zur Verwirklichung der Freiheitsrechte des Liberalismus und des Anarchismus und der Gerechtigkeitsziele der Weltreligionen, des Humanismus und des Sozialismus".

Alternativen propagiert daher auch eine "Wirtschaft ohne Wachstumszwang und ohne Kapitalprofit", da die "kapitalistische Wirtschaft unter dem Diktat des Rentabilitätsgesetzes steht", und "ohne Rücksicht auf Gesundheit von Menschen und Natur höchste Profite zu erwirtschaften sind". Um eine umweltgerechte Wirtschaft zu erreichen, müsse jedoch der Wachstumsmotor Zins gestoppt und in den Nullbereich gesenkt werden. Dieser Forderung schließt sich auch die Gruppe "Christen gegen Zins" an, weist auf die "Anti-Zins-Enzyklika" des Papstes Benedikt XIV., der Kirchenväter und der Konzile über den Zins hin und zitiert u.a. Moses 22,24 und 25,36: "Du darfst nicht Zins und Wucher nehmen" und Thomas von Aquin: "Auf Zins ausleihen ist Sünde." Während dies im alten Kirchenrecht durchaus noch anklang, wurde dieser Kanon im neuen von Johannes Paul II. allerdings ersatzlos gestrichen. Für Mohammedaner gilt das Zinsverbot dagegen heute noch.

Einer der Vordenker dieses "Dritten Weges" als Alternative zum Privatkapitalismus des Westens und Ex-Staatskapitalismus des Ostens war der Kaufmann Silvio Gesell, dessen "Freiwirtschaftslehre" und "umlaufgesichertes Freigeld" Mensch und Natur nicht nur von der Geißel der ständig steigenden öffentlichen und privaten Verschuldung durch astronomische Zinslasten befreien könne, sondern auch die Wirtschaft wieder zum Blühen bringen werde. Dazu müsse jedoch die auch in parlamentarischen Demokratien bestehende Kapitaldiktatur zunächst durch ein neues Geld- und Bodenrecht beendet und "eine echte Volksherrschaft im Sinne unseres Grundgesetzes" ermöglicht werden.

Bis jetzt scheint aber gegen die "herrschende Machtkoalition aus Nutznießern des Zinseszins-Systems und ihren Statthaltern in Parlamenten und Regierungen" noch kein Kraut gewachsen zu ein. Die von der sozialliberalen Koalition zwischen 1969 und 1982 bevorzugte Nachfragepolitik nach Keynes, die von der bürgerlichen Koalition zwischen 1982 und 1998 praktizierte Angebotspolitik nach Milton Friedman und die von Rot-Grün durchgeführte angebliche "kluge Mischung" dieser beiden ökonomischen Schulen sind (nicht nur) nach Meinung der liberalsozialen Freiwirtschaftler alle gründlich gescheitert. Die Forderung nach einer "Marktwirtschaft ohne Kapitalismus" oder einem "Sozialismus ohne planwirtschaftliche Staatswirtschaft" erscheint daher auch nicht so utopisch, wie man zunächst vermuten könnte. 

Anschrift: Georg Otto. 31079 Eberholzen, Gänseberg 11. Internet: www.alternativen.biz .


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