© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 15/04 02. April 2004

Blick in die Medien
Peinlich
Ronald Gläser

Was haben Barbara Salesch und Ronald Schill gemeinsam? Beide sind in Hamburg beurlaubte Richter. Der Unterschied besteht darin, daß Salesch Sat1-Medienheldin ist, während Schill in den Medien ungefähr so beliebt ist wie George W. Bush. Die zahllosen Gerichtsshows sind so realistisch wie die Massenvernichtungswaffen im Irak. Weil Sexual- und Körperverletzungsdelikte die höchsten Quoten bringen, findet dort andere Kriminalität kaum statt. Doch damit nicht genug: Die Erfinder der fiktiven Geschichten arbeiten unter Hochdruck. Jeden Tag müssen schätzungsweise ein Dutzend Kriminalfälle erdacht werden. Reale Geschichten dürfen in Deutschland nämlich gar nicht verfilmt werden. Peinlich wird es, wenn die Autoren sich mit der Erstellung von Plagiaten aus der Affäre ziehen. "Richter Alexander Hold" auf Sat1 machte sich kürzlich eines solchen Vergehens schuldig. In der Sat1-Sendung wurde der hervorragende Thriller "Vierzehn Tage Lebenslänglich" kopiert. Die Geschichte: Ein Prominenter geht wegen einiger Ordnungswidrigkeiten für drei Monate in den Knast. Dort finden die Wachleute reichlich Koks in seiner Zelle, weshalb er vor Gericht steht. Dahinter steckt sein böser Freund, der ein Verhältnis mit seiner Frau hat. Das junge Glück arbeitet gemeinsam an der Verlängerung des Knastaufenthalts des Helden. Erfolglos, versteht sich. Im Namen des Volkes ergeht folgendes Urteil: Der Angeklagte ist der Verletzung geistigen Eigentums schuldig und wird zu zwanzig Folgen von "Das Familiengericht" verurteilt.


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