© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 12/04 12. März 2004

Undramatischer Machtwechsel
Griechenland: Letzten Sonntag ging die zwei Jahrzehnte dauernde Regierungszeit der Sozialisten zu Ende / Achtungserfolge für Linksparteien
Gregor Manousakis

Alle Umfragen vor der Wahl vom vergangenen Sonntag in Griechenland hatten der bürgerlichen Nea Demokratia (ND) einen leichten Vorsprung vor der regierenden Panhellenischen Sozialistischen Bewegung (Pasok) vorausgesagt. Doch schon wenige Minuten nach Schließung der Wahllokale war klar: Die ND gewann mit einem Vorsprung von etwa fünf Prozent.

Inzwischen steht fest: 45,38 Prozent stimmten für die ND (plus drei Prozent), 40,6 Prozent für die Pasok ( minus drei Prozent). Aufgrund des "verstärkten Verhältniswahlrechts" erhält die ND mit 165 Mandaten sogar die absolute Mehrheit im 300sitzigen Athener Parlament. Die Pasok kommt auf 117 Sitze. Mit einer Unterbrechung (1989 bis 1993) regierte die sie seit 1981. Der Wunsch nach einem Wechsel war daher groß - es gab eine Art "Kohl-Effekt" mit anderer Färbung. "Griechenland hat seinen Willen zu einem politischen Neuanfang ausgedrückt", jubelte NDChef Konstantin Karamanlis.

Spitzenkandidat Georgios Papandreou, Sohn von Ex-Premier Andreas Papandreou und einer Amerikanerin und erst Anfang Februar von etwa einer Million Griechen per Urwahl zum Pasok-Chef gekürt, hatte zunächst einen geschickten Wahlkampf geführt. Der Politprofi wurde als 29jähriger 1981 erstmals ins Parlament gewählt. Ab 1985hatte er unter seinem Vater verschiedene hochrangige Regierungsposten inne.

Trotz der Kürze der Zeit gelang es Georgios Papandreou, den Glauben zu erwecken, eine neue Pasok-Regierung werde eine andere Politik als alle bisherigen verfolgen, die sich durch ein neues, schärferes soziales Profil auszeichnen werde. Auch über eine Reorganisierung der öffentlichen Verwaltung hat er Wohlklingendes gesagt, zumal jeder griechische Bürger einen Horror vor der Bürokratie hat. Medienwirksam posierte er in sportlichen Jacken und mit Halstuch. Unkonventionell waren auch seine Forderungen nach einer Entkriminalisierung von Haschisch einerseits und die Forderung der Privatisierung von Medien und Bildungseinrichtungen andererseits. Doch die Zeit war zu knapp, dies alles zu vermitteln.

Der Wahlkampf stand im Zeichen der Polarisierung Der künftige Ministerpräsident Konstantin Karamanlis - ein Neffe des gleichnamigen, 1998 verstorbenen ehemaligen Premiers und Präsidenten - hatte nicht weniger versprochen. Der 47jährige ist ein überlegener Redner, was man weder von Papandreou noch für den bisherigen Premier Kostas Simitis sagen kann. Fatal war für die Pasok, daß sie - unter dem Eindruck der zwischen ihr und der ND bestehenden Polarisierung - auf die Idee kam, alte Wunden zwischen Rechts und Links aufzureißen, offenbar in der Hoffnung, damit werde sie eine bessere Mobilisierung ihrer traditionellen Wählerschaft erreichen. Das Manöver mißglückte, weil die Griechen nichts mehr von der Vergangenheit hören wollen.

Alle wissen, daß das Land vor schwierigen Zeiten steht - nicht zuletzt wegen der bevorstehenden Olympiade. Und von vorneherein stand der Wahlkampf im Zeichen der Polarisierung zwischen ND und Pasok. Dies ging zu Lasten der dreizehn kleinen Parteien. Davon sind nur die Kommunisten (KKE), der Bund radikaler linker Kräfte (Synaspismos), die Demokratische Soziale Bewegung (Dikki) sowie die Orthodoxe Volkssammlung (Laos) nennenswert.

Von diesen sind die drei erstgenannten Parteien links orientiert. Ihr gemeinsames Hauptargument lautete, die Pasok sei längst eine "neoliberale" Partei geworden, während die ND ja seit jeher gegen die Arbeiterschaft orientiert sei. Die Interessen der "schwächeren Volksschichten" könnten nur von diesen Links-Parteien gewahrt werden.

Dazu war ihre Argumentation von antiamerikanischen Parolen geprägt - die Situation im Irak war im Wahlkampf gegenwärtig. Davon profitierte speziell die KKE: Entgegen den Umfragen erreichte sie immerhin 5,8 Prozent und zwölf Sitze. KKE-Chef Aleka Papariga sieht ihren Kurs bestätigt. Auch die Synaspismos - eine frühere KKE-Abspaltung - erzielte mit 3,2 Prozent (sechs Sitzen) einen Achtungserfolg, den sie vor allem ihrem eloquenten Vorsitzenden Nikolaos Konstandopoulos verdankt.

Die Dikki dagegen, deren Parteiführer Demetrios Tsovolas einst zu den Jüngern von Pasok-Gründer Papandreou gehörte, blieb mit 1,8 Prozent unter der Drei-Prozent-Klausel.

Rechte Alternative scheiterte an Drei-Prozent-Hürde Das gleiche gilt auch für die Laos, die auf 2,2 Prozent kam. Die ND-Abspaltung entstand vor drei Jahren als Reaktion auf die Streichung des Religionsnachweises aus den griechischen Personalausweisen.

Die Laos ist griechischorthodox und rechtsnational orientiert, jedoch keineswegs "rechtsextrem", wie deutsche Medien behaupten. Ihr Chef, Giorgos Karatzaferis, war früher NDAbgeordneter. Trotz der Polarisierung, der alle kleinen Parteien zum Opfer gefallen sind, können sie sich - im Gegensatz zu Deutschland - kaum wegen ihrer Behandlung im Wahlkampf beschweren. Alle Fernsehanstalten haben ihnen Sendezeiten eingeräumt, und ihre Vertreterwurden zu den Rundtischgesprächen eingeladen.

Mit der Regierung der ND unter Karamanlis tritt Griechenland eine neue Ära an. Sie übernimmt das Land in einer keineswegs schlechten Verfassung, obwohl die Arbeitslosigkeit wie in Deutschland bei rund elf Prozent liegt. Zugleich hat aber Griechenland mit über vier Prozent eine der höchsten Wachstumsraten in der Europäischen Union - auch dank Olympia 2004. Und international zählt Griechenland zu den EU-Mitgliedern, die für eine außen- und verteidigungspolitische Emanzipierung der Union eintreten.

Zugleich ist das griechisch-amerikanische Verhältnis gut - wohl ein Kunststück, das auf den bisherigen Außenminister Papandreou (der 1952 in St. Paul, Minnesota, geboren wurde und später in Harvard studierte) zurückgeht - daran wird auch Karamanlis festhalten.

Simitis wird als Abgeordneter in der Politik aktiv bleiben. Trotz aller berechtigten Vorbehalte gegen seine Politik (Vorwurf: Vetternwirtschaft, Bürokratie) sollten seine Leistungen nicht geschmälert werden. Die heutige Stellung Griechenlands innerhalb der Union ist vor allem sein Werk. Zweifellos hat er auch neue politische Sitten in der griechischen Politik eingeführt, die fortan niemand mehr außer acht lassen kann.


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