© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 12/04 12. März 2004

PRO&CONTRA
Abgabe für Kinderlose?
Heinrich Dießelmeyer / Hans Kaiser

Der Zustand der sogenannten Rentenkasse ist schlecht, und er wird noch viel schlechter werden, wenn nicht Gegenmaßnahmen ergriffen werden. Der gegenwärtige Zustand ist durch den Gesetzgeber verursacht. Der Gesetzgeber hat der gesetzlichen Rentenversicherung eine Reihe von Aufgaben (sogenannte versicherungsfremde Leistungen) aufgebürdet, ohne die entsprechenden Mittel dafür in voller Höhe bereitzustellen. Nur ein Teil der versicherungsfremden Leistungen, die eigentlich als gesamtgesellschaftliche Aufgaben aus Steuermitteln zu finanzieren gewesen wären, wird durch den Bundeszuschuß ausgeglichen. Dadurch werden seit mehr als 40 Jahren und auch heute noch die Überschüsse der gesetzlichen Rentenversicherung zugunsten der Staatskasse abgeschöpft. In den letzten 20 Jahren, von 1983-2002, wurde so die gewaltige Summe von rund 450 Milliarden Euro für gesamtgesellschaftliche Aufgaben "umgeschichtet". Beamte, Politiker und viele Selbständige wurden, da sie nicht Beitragszahler der gesetzlichen Rentenversicherung sind, finanziell entlastet.

In den nächsten Jahren wird die finanzielle Lage der gesetzlichen Rentenversicherung durch die niedrige Geburtenrate bei gleichzeitiger höherer Lebenerwartung immer prekärer werden. Auf immer weniger Beitragszahler werden immer mehr Rentner kommen. Ein Weg zu mehr Gerechtigkeit ist unter anderem, den Kinderlosen in unserer Gesellschaft einen Obulus für die fehlende Aufzucht von Nachwuchs abzuverlangen. Natürlich werden das Menschen, die gerne Kinder hätten, aber keine bekommen können, als Strafe empfinden. Man muß aber nur das System betrachten. Und für das System ist es völlig egal, aus welchem Grunde zu wenig Nachwuchs da ist. Außerdem wäre eine zusätzliche finanzielle Belastung der Kinderlosen zugunsten der Rentenkasse ein gerechter Ausgleich für die zeitliche und finanzielle Belastung der Kindererziehung.

 

Heinrich Dießelmeyer ist Pressesprecher der Partei für Rentengerechtigkeit und Familie (PRG).

 

 

Das Motto dieses Vorschlages scheint "Geld her oder Kinder zeugen" zu sein. Die Kinderlosen werden fast zu Haßfiguren. Dabei finanzieren gerade sie schon jetzt den Nachwuchs anderer Leute.

Sicher gibt es gute Begründungen, nach einer Notbremse zu rufen, die verhindern soll, daß die Bevölkerungspyramide vollkommen zusammenbricht. Gemäß dem Karlsruher Verfassungsgerichtsurteil zur Pflegeversicherung vom 3. April 2001 gibt es in Deutschland zu viele Kinderlose und zu wenig Eltern. In der öffentlichen Debatte wird dieses Faktum mit den Daten des Statistischen Bundesamtes belegt. In den Großstädten sind es gut ein Drittel der Haushalte, in denen Singles leben, Tendenz steigend. Dies sind deutschlandweit 13,5 Millionen. Eine gute Einnahmequelle für die Politik also.

Die Forderung nach einer generellen Abgabe für Kinderlose hat indes schon in der Idee ihre Ungerechtigkeiten. Wie soll der Gesetzgeber mit Paragraphen herausfiltern, um welche Gründe es sich bei Verheirateten/Alleinstehenden handelt, kinderlos zu sein? Sind es Alleinstehende, die "keine Lust auf Kinder" haben, sich ihren auf diese Weise möglichen Luxus mit niemandem teilen wollen, also entsprechend der "Individualisten-Gesellschaft" nur egoistisch an sich selbst denken? Sind es Paare, die sich ganz bewußt gegen Nachwuchs entscheiden, weil sie die Zukunft dieser Welt pessimistisch sehen? Oder sind es gar Menschen, die zwar einen Wunsch nach einer Familie mit eigenen Kindern hegen, diesen aber aufgrund von medizinischen Hindernissen nie verwirklichen können?

Alleinstehende werden ohnehin schon durch hohe Steuersätze geschröpft, die sie zu zahlen haben. Und mit einer "Strafabgabe" förmlich zu Nachwuchs zu zwingen, ist kein glückliches Plädoyer für den ersehnten Kinderreichtum.

 

Hans Kaiser ist selbständiger Kaufmann und Mitbetreiber eines Internetforums für Alleinstehende.


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