© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 10/04 27. Februar 2004

Meldungen

"Ganz gut leben" auch ohne Religion

TÜBINGEN. "Der Letzte macht das Licht aus." Gäbe es nicht die "islamische Herausforderung", wäre dies wohl der Schlußsatz zum Thema Religion im Europa des 21. Jahrhunderts. Kaum etwas habe die Schwäche kirchlich verfaßter Religion deutlicher offenbart als die vor allem aus Rom nachdrücklich vorgetragene Forderung, in die EU-Verfassung einen Gottesbezug aufzunehmen. Obwohl es dafür gute theologische Gründe gibt, wurden historische ("abendländische") oder soziologische Argumente formuliert, die schon in Rechnung stellten, daß eine säkularisierte Gesellschaft nicht mehr theologisch zu beeindrucken sei. Der Mannheimer Emeritus Gerd Roellecke resümiert in einem Beitrag für die Juristen-Zeitung (3/04) diesen Prozeß der Säkularisation, an dessen Ende die fast vollständige "Entkoppelung von Recht und Religion" stehe. Im Rückgriff auf Niklas Luhmanns Begrifflichkeit zeigt Roellecke zudem, daß die "Systemdifferenzierung" so weit fortgeschritten sei, daß sie die Religion marginalisiert habe. Ihre "Zuständigkeit für Grenzfragen" (Geburt, Hochzeit, Tod) werde von den meisten gesellschaftlichen "Subsystemen" ignoriert. Die strikte Funktionsorientierung dieser Systeme habe die Grenzfragen "klein gearbeitet", so daß sich in ihnen, wie man am heutigen Umgang mit dem Tod ablesen könne, "ganz gut ohne Religion leben" lasse.

 

Soziale Rechte nicht Rechte zweiter Klasse

MÜNCHEN. Daß es den sozialen Grundrechten an Justiziabilität mangle, weil sie als subjektive Rechte nicht hinreichend konkretisiert werden könnten, ist das Standardargument der Gegner ihrer Festschreibung in der EU-Grundrechtscharta. Wie Bernhard Losch, Staatsrechtslehrer an der Bergischen Universität Wuppertal, dagegenhält (Neue Verwaltungsrechtszeitschrift, 12/03), könne nicht davon die Rede sein, soziale Rechte neben den Freiheitsrechten als Rechte minderer Güte abzuqualifizieren. Folgerichtig habe sich der EU-Grundrechtskonvent für die "Solidarität" als Rechtsprinzip entschieden und unter diesem Leitgedanken soziale Rechte in großer Zahl aufgenommen, nämlich den individuellen und kollektiven Arbeitnehmerschutz sowie den allgemeinen Sozialschutz. Ohne die Verknüpfung der Freiheitsrechte mit der Solidarität sei die rechtsstaatlich-demokratische Entfaltung der EU gefährdet: Daran sei angesichts der EU-Osterweiterung zu erinnern, die die Gefahr einer Zurückdämmung der Sozialunion bringe.

 

Ein großes Gehirn benötigt starke Reserven

COIMBRA. Hamilton Correia und Manuel de Areia, Anthropologen an der Universität Coimbra, stellten jetzt ihre Theorie vor, warum im Gegensatz zu allen anderen Säugetieren der Mensch so fette Neugeborene hat (American Journal of Human Biology, Bd. 16). Säuglinge haben etwa viermal soviel Babyspeck, wie ihre Größe erwarten ließe, und übertreffen damit sogar Nachkommen von im Wasser oder in arktischen Gefilden lebenden Tieren. Das beim Menschen im Verhältnis zur Körpergröße einzigartig große Gehirn benötigt für seine frühe Entwicklung sehr große Mengen an Energie aus diesen Fettdepots. Die Anthropologen hatten mehr als tausend Neugeborene und deren Zusammenhang zwischen der Kopfgröße und der Menge des Babyspecks untersucht. Säuglinge mit großem Kopf waren auch die mit dem meisten Fett. Gerade in den ersten drei Lebensjahren benötigt das Hirn große Mengen an Energie, um sich richtig zu entfalten.


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