© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 09/04 20. Februar 2004

In einer Reihe mit den Gummibärchen
Literaturbetrieb: Prominente aus Politik, Kultur und Medien stellen den neuen Roman von Christoph Hein
Thorsten Thaler

Christoph Hein ist auf Lesereise, liest aus seinem neuen Roman "Landnahme". Dazu hat sein Verlag, Suhrkamp, eigens eine bundesweite Anzeige geschaltet, wo nicht nur die Termine und Lokalitäten vermerkt sind, sondern auch die jeweiligen "Vorsteller". Da lesen wir nun: "Hamburg, Chr. Hein, vorgestellt von Ulrich Wickert", "München, Chr. Hein, vorgestellt von Jutta Limbach", "Berlin, Chr. Hein, vorgestellt von Richard von Weizsäcker", "Wien, Chr. Hein, vorgestellt von Peter Turrini" usw.

Wieso sind die "Vorsteller" im Literaturgeschäft plötzlich so wichtig? Traut der Verlag der Attraktivität seines Autors nicht? Muß dieser extra aufgepeppt werden durch Prominente aus Politik, Kultur und Medien, die hier gleichsam als eine Art Pate oder Bürge für Hein erscheinen, dem Publikum signalisierend: "Glaubt uns, hier findet wirklich eine wichtige Sache statt, das Zuhören lohnt sich garantiert."

Es ist alles ein bißchen peinlich, für den Verlag, für die Promis, für den Autor. Ein ehemaliger Bundespräsident und eine frühere Verfassungsrichterin werden unverblümt zu "Product-Trailern" gemacht, rücken in eine Reihe mit Gottschalk und seinen Gummibärchen, und man fragt sich, was sie dafür bekommen haben mögen, ob vorher ein veritabler Werbevertrag ausgehandelt wurde. Das Produkt selbst, der Roman von Christoph Hein, verschwindet hinterm Marketing. Suhrkamp-Kultur?

Am problematischsten ist der pompöse Aufmarsch der Buchvorsteller natürlich für den Autor. Vorstellen ist ja für jeden Vorgestellten eine heikle Prozedur. Statt sich selber Land zu nehmen, wird er von anderen irgendwo hingestellt. Und wer vorn steht, der Vorsteller oder der Vorgestellte, bleibt in der Schwebe. "Sind die Leute nun meinetwegen gekommen oder Wickerts wegen, Weizsäckers wegen?" Das läßt sich schwer entscheiden. Am besten, man rettet sich in den alten juristischen Grundsatz: Im Zweifel für den Angeklagten.


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