© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 08/04 13. Februar 2004

Vorfreude auf einen reuigen Sünder
Einkehr: Katholische Würdenträger bemühen sich öffentlichkeitswirksam um das Seelenheil von Jürgen Habermas
Richard Stoltz

Im Himmel ist mehr Freude über einen einzigen reuigen Sünder als über neunundneunzig Gerechte." So steht es in der Bibel (Lukas 15/7), und deshalb läßt sich der freudige Eifer nachvollziehen, mit dem sich wichtige katholische Kräfte (Kardinal Ratzinger, Ratzinger-Sprachrohr Christian Geyer) um das Haupt der atheistischen "Kritischen Schule", Jürgen Habermas, bemühen, weil der einige "Zugeständnisse" in Richtung Kirche unternommen hat. Sie begleiten nun wohlwollend jeden der Habermas'schen Auftritte, lassen sich mit ihm auf medienwirksame Dialoge ein und markieren liebevoll-sorgfältig, wo bereits "Übereinstimmung" besteht.

Schließlich gibt es erlauchte Vorbilder. So mancher berühmte Atheist, Spötter, Zweifler hat sich auf seine alten Tage zum Glauben bekehrt und ist mit dem Segen der Kirche abgetreten, von Voltaire bis Ernst Jünger. Freilich vollzog sich die jeweilige Bekehrung stets in aller Stille. Aber man muß halt mit der Zeit gehen. Wenn heute böse Schuljungen - siehe Hildesheim - einen Mitschüler nur und erst dann quälen, wenn eine Filmkamera die ganze Quälerei aufnimmt, müssen wohl auch komplizierte Bekehrungs-Dispute rechtzeitig unter die Leute gebracht werden. Das Medium ist eben die Botschaft.

Freilich, was Habermas angeht, so zeigt die mediale Resonanz, daß er doch noch recht weit von echter Einkehr entfernt ist. Er möchte irgendwie den Glauben "säkularisieren", ihn für den "herrschaftsfreien Diskurs" einsetzen. Er gleicht jenem sowjetischen Militärattaché, der im Wien der Nachkriegsjahre unter österreichischen Prominenten Verbündete suchte und deshalb dem berühmten, streng katholischen Burgschauspieler Raoul Aslan gegenüber Jesus wegen dessen Friedensliebe und "sozialen Engagements" in den höchsten Tönen lobte. Aslan erwiderte: "Sehr gut! Und wenn Sie mir nun noch zugeben, daß Jesus unser Herr und Erlöser ist, bin ich Ihr Mann."


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