© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 08/04 13. Februar 2004

Freispruch für Hohmann
Staatsanwaltschaft leitet keine Ermittlungen gegen CDU-Politiker ein
Dieter Stein

Die Jagd ist vorläufig zu Ende. Gegen Martin Hohmann wird seitens der Staatsanwaltschaft nicht weiter wegen Volksverhetzung, Beleidigung und übler Nachrede ermittelt. Keine geringeren Vorwürfe waren gegen den Bundestagsabgeordneten des Wahlkreises Fulda erhoben worden. Die örtliche Staatsanwaltschaft hat nun in einer Erklärung vom 5. Februar bekanntgegeben, daß die Einleitung von Ermittlungen gegen Hohmann wegen seiner Rede zum Tag der deutschen Einheit vom 3. Oktober 2003 abgelehnt wird.

Damit findet eine der größten politischen Schlammschlachten der letzten Jahrzehnte ein vorläufiges juristisches Ende. Ein gutes Dutzend Anzeigen von Verbänden und Einzelpersonen, darunter vom Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland, Paul Spiegel, waren bei der Staatsanwaltschaft eingegangen. In der dreiseitigen Erklärung (vollständige Dokumentation in dieser Zeitung auf Seite 4) verwirft die Staatsanwaltschaft sämtliche in den Strafanzeigen angeführten Zitate aus Hohmanns Rede als strafrechtlich nicht relevant.

Wir erinnern uns: Die sogenannte Hohmann-Affäre geriet ins Rollen, als der ARD-Journalist Werner Sonne am Abend des 30. Oktober in den "Tagesthemen" die Falschmeldung verbreitete, Hohmann habe in seiner Rede die Juden "ein Tätervolk" genannt. Der Aufschrei der Empörung, der daraufhin einsetzte, baute allein auf dieser Behauptung auf. Die Fuldaer Staatsanwaltschaft stellt hierzu nun knapp fest: "Die Ausführungen des Angezeigten zum sogenannten 'Tätervolk' sind in der Gesamtschau ebenfalls nicht tatbestandlich. Zum einen benutzt der Angezeigte bei seiner Äußerung den Konjunktiv und zum anderen relativiert er diese These durch die Feststellung, daß weder die Deutschen noch die Juden ein 'Tätervolk' seien."

Auch weist die Staatsanwaltschaft die schwerwiegenden Vorwürfe zurück, Hohmann habe gar den Holocaust geleugnet: "Ein Leugnen des Holocausts nach § 130 Abs. 3 und 4 StGB liegt ebenfalls nicht vor. Der Angezeigte leugnet weder den Holocaust an sich, noch bagatellisiert er nachweisbar die Einzigartigkeit und die wahre Dimension des unter nationalsozialistischer Herrschaft am jüdischen Volk verübten Massenmordes. Die Gesamtheit seiner Äußerungen stellt vielmehr in längeren Passagen seiner Rede die Einzigartigkeit des Holocausts heraus, zu dessen Wiedergutmachung 'sich die Mehrheit der Deutschen ganz ausdrücklich (bekennt)'". Auch Beleidigungsdelikte vermag die Staatsanwaltschaft an anderer Stelle nicht zu erkennen, weshalb sie "die Einleitung von Ermittlungen verwehrt".

Bemerkenswert an dieser Entscheidung der Staatsanwaltschaft ist zweierlei: erstens ihr Inhalt, der alle Vorwürfe gegen Hohmann in Luft auflöst. Zweitens aber die Reaktion der Medien und der Politik: Hier wird die Dimension des Skandals offenkundig. Weitgehend versteckt in Meldungsspalten, vielfach überhaupt nicht berichteten nämlich die Blätter und elektronischen Medien über die Einstellung des Ermittlungsverfahrens. All die mutigen Herausgeber, die tage- und wochenlang auf ihren Titelseiten die Jagd auf den "CDU-Hetzer" (Bild-Zeitung) oder den "lupenreinen Goebbels" (Stern) veranstaltet hatten, schweigen jetzt. Auch bei den Politikern herrscht Totenstille. Die CDU-Vorsitzende Angela Merkel, die in der "Affäre Hohmann" - wie der Grünen-Politiker Daniel Cohn-Bendit in einem taz-Interview gesagt hat - von "Welt und Bild ... in die Knie gezwungen" worden ist? Auch sie schweigt.

Inzwischen ist längst klar, daß es nicht darum ging, Hohmann wegen einer Rede, über die man sich streiten kann, die man in einer Demokratie aber aushalten muß, aus der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und womöglich aus seiner Partei auszuschließen. Es ging darum, einen Exponenten des konservativen Union-Flügels in einem öffentlichen Tribunal politisch hinzurichten. Hohmann war wegen seiner Beiträge zur Familienpolitik, zur christlichen Ethik, zur Frage des Lebensrechts in den Augen der Platzhirsche linker political correctness unangenehm aufgefallen, also war er abschußreif.

Zudem konnte im Rahmen der "Hohmann-Affäre" aufs effektivste vorexerziert werden, wie kampagnenunfähig die Unionsparteien sind. Wie Amateure haben sie sich von einer nach "Schema F" abrollenden Medienkampagne begraben lassen. Was weder begriffen wurde noch begriffen wird: Die Kampagnenfähigkeit dieses "bürgerlichen Lagers" entscheidet sich eben nicht in einem solchen PR-Gau im Falle Hohmann, sondern schon früher. CDU und CSU sind an eigenständiger Medienpolitik völlig desinteressiert.

Es gibt bei den Unionsparteien nicht den Funken des Interesses, wie man der strategischen Überlegenheit der Linken in den Medien begegnen und sich auf entsprechende Kampagnen vorbereiten kann. Statt dessen wird im Konrad-Adenauer-Haus und bei den "bürgerlichen" meinungsbildenden Zeitungen von den Springer-Medien Welt und Bild bis zur FAZ nach der Devise verfahren, daß es am bequemsten ist, sich mit einer geringen zeitlichen Verzögerung den jeweiligen Forderungen des (linken) Zeitgeistes anzupassen.

Somit ist die Hohmann-Affäre Ausdruck der totalen Defensive, in der sich - allen bombastischen Umfragewerten zum Trotz - das bürgerliche Lager befindet. Die hohen Umfragewerte, auf denen sich Merkel, Merz und Stoiber derzeit ausruhen zu können meinen, sind auf Flugsand gebaut. Schon einmal konnte die staunende Öffentlichkeit im Zuge des "Aufstandes der Anständigen" im Jahr 2000 erleben, wie es Rot-Grün gelang, gegründet auf Zeitungsenten (Sebnitz, Düsseldorf) die Union mit einem "rechten" Popanz vor sich herzutreiben.

So befinden sich diejenigen im Irrtum, die glauben, der "Fall Hohmann" sei lediglich eine locker abzuhakende "Provinz-Posse" eines bei einer Festrede überforderten CDU-Hinterbänklers. Es offenbaren sich vielmehr die elementaren demokratischen Defizite eines eben nur scheinbar "herrschaftsfreien", in Wahrheit von einigen wenigen gouvernantenhaft kontrollierten Diskurses und einer Krise der politischen Repräsentation in dieser Republik. Wie ein Wetterleuchten illuminierte der "Fall Hohmann" die von "Meinungssoldaten" (Martin Walser) kontrollierte stickige Atmosphäre einer immer totalitärere Züge annehmenden Herrschaft der political correctness.

Wenn nicht ein Wunder passiert, wird Martin Hohmann aller Voraussicht nach von der CDU in einem in widerwärtiger Kaltblütigkeit und menschenverachtendem Bürokratismus weiterbetriebenen Parteiausschlußverfahren wie gewünscht entsorgt werden. Sein Name wird spätestens am Ende der Legislaturperiode auch im Bundestag ausradiert. Es wäre ein Pyrrhus-Sieg für die stromlinienförmige Unions-Führung.


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