© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 07/04 06. Februar 2004

Ole und die kleinen Strolche
Hamburg-Wahl: Keine der vielen Kleinparteien dürfte größere Hoffnungen auf Mandate in der Bürgerschaft hegen
Peter Freitag

Halbzeit im Hamburger Bürgerschafts-Wahlkampf. Das Hauptinteresse der Medien richtet sich dabei auf die Frage, ob die CDU unter Bürgermeister Ole von Beust bei der Wahl am 29. Februar die Möglichkeit erhalten wird, die Hansestadt künftig allein zu regieren.

Eine Befragung des Meinungsforschungsinstituts Emnid im Auftrag der ortsansässigen Springer-Zeitungen sagt der Union ein Ergebnis von 46 Prozent voraus; die in der Wahl 2001 noch führenden Sozialdemokraten kämen auf lediglich 31 Prozent und könnten selbst zusammen mit der Grün-Alternativen Liste (12 Prozent) keine ausreichende Mehrheit holen.

Der noch an der Regierung beteiligten FDP (4 Prozent) und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive (2 Prozent) bliebe ein Wiedereinzug in die Bürgerschaft laut Emnid-Umfrage versagt. Auch die neue Liste des ehemaligen Zweiten Bürgermeisters und Innensenators Ronald Schill (Pro Deutsche Mitte/Schill), die in einer früheren Umfrage noch auf vier Prozent kam, stürzte auf zwei Prozent ab.

Auf insgesamt drei Prozent Zustimmung bringen es laut Emnid die unter "Sonstige" zusammengefaßten zehn Listen, die sich um die Stimmen der gut 1,2 Millionen Wahlberechtigten in Hamburg bewerben: die von den Grünen abgespaltene Wählervereinigung "Regenbogen", die Wählervereinigung "SOS Wasserturm", die sich als Bürgerinitiative gegen ein geplantes Kongreß- und Hotelzentrum stark macht, ferner die Feministische Partei "Die Frauen", die Nationaldemokratische Partei (NPD), die Partei Bibeltreuer Christen (PBC), Die Grauen, die Ökologisch-Demokratische Partei (ÖDP) sowie der Deutsche Bürger-Bund. Ferner treten als Einzelbewerber der Transvestit "Olivia Jones" und der türkischstämmige Mustafa Akpolat, Herausgeber der Migranten-Zeitschrift Güncel, an.

Weniger als die Hälfte haben sich schon entschieden

Weitere Listen stellen sich zur zeitgleich stattfindenden Wahl für die Bezirksversammlungen, darunter auch als Wählervereinigung im Bezirk Wandsbek die von Joachim Siegerist geführten "Deutschen Konservativen". Dieser Verein hatte sich 2001 noch mit der Unterstützung Ronald Schills hervorgetan, ruft jetzt aber mit großflächigen Plakaten zur Wahl von Beusts auf. Grund dafür ist nach Angaben der "Konservativen" die Befürchtung, daß wieder eine rot-grüne Senatsmehrheit drohe, wenn im bürgerlichen Lager Stimmen an aussichtslose Bewerber verschenkt würden und so die Union die absolute Mehrheit verpasse. Siegerist dazu in einer Pressemitteilung: "Ich kann zwar nicht behaupten, daß wir politisch mit Ole von Beust total übereinstimmen. Aber er ist mir lieber als eine rot-grüne Landesregierung - und zumindest ist er menschlich in Ordnung." Das Scheitern der Hamburger Mitte-Rechts-Koalition sei bedauerlich, schuld daran sei jedoch in erster Linie der ehemalige Innensenator. Schill sei auf Dauer für niemanden ein Partner. "Der Mann hat einfach keine Manieren und ist unberechenbar, obendrein faul wie die Sünde", so Siegerist.

Eingeschränkt wird die Aussagekraft der Umfrageergebnisse dadurch, daß in derselben Emnid-Befragung weniger als die Hälfte der Teilnehmer (48 Prozent) bereits entschieden haben, ob - und wenn ja, wen - sie wählen werden. Zu einem Politikum könnten sich die Zustimmungswerte für Schill entwickeln. Dessen Pro Deutsche Mitte/Schill lag in früheren Umfragen anderer Institute noch bei vier Prozent, während die Partei Rechtsstaatlicher Offensive nur auf ein Prozent kam.

Mitte Januar hieß es noch, Schills Liste könnte den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde schaffen, da sich seine Wähler erfahrungsgemäß in Umfragen nicht gerne offenbaren. Emnid wertet nun beide Parteien als eher aussichtslose Kandidaten, wovon wiederum die CDU profitieren könnte. Bolko Hoffmann, Bundesvorsitzender der nun mit Schill vereinigten Pro Deutsche Mitte, warf Emnid "eine bewußte Wählertäuschung" mittels dieser Veröffentlichung vor, da die Klientel seiner Partei gerade in der Gruppe der Unentschlossenen besonders stark vertreten sei.

Der Streit um den Namen "Schill" wird immer grotesker

Derweil noch nicht endgültig entschieden ist der bizarre Streit um das Namenskürzel "Schill" (JF berichtete). Sowohl die Partei Rechtsstaatlicher Offensive als auch die Pro Deutsche Mitte beanspruchen das alleinige Recht auf diese Kurzbezeichnung für sich und hatten mit Hilfe von Einstweiligen Verfügungen versucht, der jeweils anderen Partei das Benutzen des Kürzels "Schill" zu untersagen - bisher ohne Erfolg. Das Landgericht Hamburg bezweifelte einerseits ein eigenes "kennzeichenrechtlich schutzwürdiges Interesse" der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, bestätigte jedoch deren "prioritätsälteres Namensrecht".

Wahrscheinlich wird dieser Streit erst in einer mündlichen Verhandlung entschieden werden können. Auf der offiziellen Bekanntmachung der Listenvorschläge, die der Wahlausschuß der Hansestadt beschloß, ist die Partei Rechtsstaatlicher Offensive mittlerweile ganz ohne Kurzbezeichnung aufgeführt. Hoffmann jedenfalls sieht als Grund für das Absacken seiner Liste in besagter Emnid-Umfrage auch diese namensrechtlichen Verwirrungen an und hält das Ergebnis nicht zuletzt deshalb für nicht aussagekräftig.

Erfolgsgewiß gibt sich Schill. Seiner Liste sagt er ein gutes Abschneiden voraus, nicht zuletzt wegen eines Wahlkampfetats von 500.000 Euro und mehreren Großveranstaltungen, auf denen er als Redner auftrete. Die von ihm angestrebte Koalition mit der Union schloß diese jedoch schon kategorisch aus: "Eine weitere Zusammenarbeit mit Schill wird es seitens der CDU definitiv nicht geben", erklärte deren Fraktionschef Michael Freytag.


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