© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 06/04 30. Januar 2004

Frisch gepresst

Hinterpommern. Unter den deutschen Ostprovinzen nimmt Pommern vielleicht die geographisch, historisch und ökonomisch unscheinbarste Position ein. Und gerade Hinterpommern, ein reines Agrarland, stellte für viele Preußen-Kritiker ein Musterbeispiel jenes "Ostelbien" dar, das nicht nur im Simplicissimus gern als Heimat "reaktionärster Rückständigkeit" figurierte. Daß sich in den Landschaften zwischen dem Stettiner Haff und der 1938 Pommern angegliederten "Grenzmark Posen-Westpreußen" nicht nur Dörfer und Gutshäuser fanden, dokumentiert jetzt die in erstaunlich kurzer Zeit von Thomas Tippach und Roland Lesniak fertiggestellte Neubearbeitung des 1939 erstmals publizierten "Städtebuchs Hinterpommern" (Verlag W. Kohlhammer, Stuttgart 2003, 343 Seiten, 79 Euro). Achtzig zumeist kleine Ackerbürgerstädte werden in gründlich recherchierten Artikeln erfaßt. Gewinn zieht der landeshistorisch interessierte Benutzer besonders aus dem akribischen Nachweis des noch verfügbaren Aktenmaterials. Wer etwa über das winzige Städtchen Daber forscht, wird ans Stettiner Woiwodschaftsarchiv und das Vorpommersche Landesarchiv Greifswald gewiesen. Nicht ganz so präzise wie in dieser Rubrik verfahren die Bearbeiter im Eintrag "bedeutende Persönlichkeiten" - sonst fehlte etwa in Pyritz nicht der dort 1863 geborenen Otto Hintze, ein wahrhaft bedeutender Historiker Preußens.

 

Vertreibungsdiskurs. Noch bevor die Kontroverse über das Zentrum gegen Vertreibungen höchste publizistische Wellen schlug, hatte das Deutsche Polen-Institut in Darmstadt Ende 2002 zu einem "Workshop" geladen, an dem gut vierzig Wissenschaftler aus Europa, den USA und Israel teilnahmen. Der von Dieter Bingen, Wlodzimierz Borodziej und Stefan Troebst erstellte Sammelband, der die Referate dieser Tagung vereint, macht deutlich, wie minoritär inzwischen die Position des Bundes der Vertriebenen ist, mit dem Zentrum, womöglich in Berlin, einen nationalen Erinnerungsort einzurichten. Die Mehrheit der Tagungsteilnehmer sieht darin offenbar eine unerträgliche Provokation und ist bemüht, die deutschen Vertriebenen auch noch aus ihrer Erinnerung zu vertreiben. Bezeichnenderweise wird konsequent verschwiegen, daß ein großer Teil der Deutschen nicht irgendwo aus "Ostmitteleuropa", sondern aus Deutschland vertrieben wurde (Vertreibungen europäisch erinnern. Harrassowitz Verlag, Wiesbaden 2003, 328 Seiten, 24,90 Euro).


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