© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 06/04 30. Januar 2004

Der Griff nach dem Rheingold
Bundesbank: Die deutschen Goldreserven sollen verkauft und in "die Zukunft" investiert werden / Verlust von Souveränität
Bruno Bandulet

Egal, ob es sich um die angebliche Landesverteidigung am Hindu kusch, um den Byzantinismus des Sozialstaates oder eben um die deutschen Goldreserven handelt, die Erregungsschwelle der Öffentlichkeit in Deutschland verschiebt sich mit den Jahren immer weiter nach oben. Erinnern wir uns: Als Bundesfinanzminister Theo Waigel (CSU) daranging, sich mit einem buchhalterischen Trick am Goldschatz der Bundesbank zu vergreifen, erhob sich ein Sturm der Entrüstung. Dabei wollte Waigel gar kein Gold verkaufen, er wollte nur Buchgewinne einstreichen. Dennoch mußte er sein Vorhaben fallenlassen.

Diesmal geht es um 600 Tonnen Gold, also um nicht ganz 20 Prozent der Reserven (insgesamt 3.446 Tonnen), die Bundesbankpräsident Ernst Welteke veräußern möchte. Der allergrößte Teil des deutschen Goldes ruht übrigens seit langem unter dem Asphalt von Manhattan, nämlich im Keller der Federal Reserve Bank von New York. Anlaß ist die Erneuerung des Goldabkommens der europäischen Notenbanken, das im September 1999 unterzeichnet wurde und in diesem Jahr zur Erneuerung ansteht.

1999 wurde vereinbart, die Goldverkäufe aller Beteiligten zusammengenommen auf 400 Tonnen im Jahr zu begrenzen und - wichtiger noch - die Ausleihungen von Zentralbankgold einzufrieren. Weder Deutschland noch Frankreich noch Italien haben ihre Goldreserven in diesen fünf Jahren angetastet. Bis dann irgend jemand in Frankfurt oder Berlin auf die Idee kam, Gold zu verkaufen, den Erlös in einen Fonds zu stecken und mit den Zinserträgen Bildungsprojekte zu finanzieren.

Selbst von den Währungspolitikern der CDU/CSU, die es wahrscheinlich gar nicht gibt, kam bisher keine Kritik. Und der FDP-Generalsekretärin Cornelia Pieper fiel nichts anderes ein als die einfältige Formel, die Liberalen wollten "statt Gold in den Tresoren Gold in den Köpfen".

Ein gedanklicher Kurzschluß. Denn die Bundesbank erfüllt nach Recht und Gesetz völlig andere Aufgaben als die Bundesregierung, nämlich - als Mitglied des Europäischen Systems der Zentralbanken - die Sicherung der Währung. Die Einrichtung von irgendwelchen Fonds und die Finanzierung von staatlichen Projekten gehören nicht zu ihren Obliegenheiten.

Allein schon die Vermengung der Zuständigkeiten ist eine ordnungspolitische Sünde ersten Ranges. Ganz abgesehen davon, daß es sich hier um ein Nullsummenspiel handelt. Denn ein sogenannter Bildungsfonds kann auch nichts anderes tun, als sein Kapital in Bundesanleihen anzulegen. Somit erzielt er seine laufenden Einnahmen aus dem Staatshaushalt, der damit logischerweise belastet wird. Solange sich die Bundesbank hingegen wie bisher darauf beschränkt, einen Teil ihrer jährlichen Gewinne an den Bund abzuführen, wird Eichels Etat entlastet. Eine einfache Rechnung, zu der Russisch-Polnisch-Sprachmittlerin Pieper offenbar nicht imstande ist.

Daß die regierenden Sozialdemokraten (Bundesbankpräsident Ernst Welteke ist auch einer) sich irgendwann am deutschen Goldschatz vergreifen würden, der aus der Zeit des Wirtschaftswunders stammt, war zu erwarten. Der Sozialismus hat sich schon immer dadurch definiert, daß er vom Substanzverzehr lebt. Wenn alles verjubelt ist, endet die schöne Party.

Als die Bundesbank noch souverän und mächtig war, hätte sie nicht im Traum daran gedacht, die Aktivseite ihrer Bilanz auf diese Weise zu schwächen. Dort standen Ende November Gold und Goldforderungen in Höhe von 36,5 Milliarden Euro und Devisenreserven im Wert von 34,5 Milliarden Euro, wobei es sich fast ausschließlich um Dollars handelt. Rechnet man noch die Forderungen an den Internationalen Währungsfonds hinzu (8,3 Milliarden Euro), dann sind die Währungsreserven Deutschlands komplett.

Gold- und Dollarreserven sind also in etwa gleich groß. Erstere haben im Verlauf der letzten Jahre an Wert gewonnen, letztere verloren. Ein anderer Unterschied: der Teil des Goldes, der nicht ausgeliehen ist, birgt keinerlei Bonitätsrisiko - und dies seit einigen tausend Jahren. Gold kann bekanntlich nie pleite gehen. Die Dollarreserven hingegen existieren nur elektronisch, können von den USA beliebig abgewertet und im schlimmsten Fall sogar wertlos werden. Ergo ist Gold die bessere Währungsreserve. Wenn in Frankfurt überhaupt etwas verkauft werden muß, dann doch bitte der US-Dollar - am besten gegen chinesische Yuan, sobald das möglich ist.

Welteke, der natürlich unter dem Druck seiner Genossen in Berlin steht, gleicht einem Mann, der seine Versicherung kündigt, weil er sie gerade nicht braucht. Wer weiß denn schon, was geopolitisch, finanziell und monetär in den nächsten zehn, zwanzig oder dreißig Jahren passiert? Vielleicht kommt der Goldstandard zurück. Vielleicht entschließt sich die Europäische Zentralbank (EZB) - was vor ihrer Gründung eine Zeitlang ernsthaft erwogen wurde -, den Euro-Banknoten eine offizielle Golddeckung zu geben. Oder (was sich die Bundesbank früher auch schon überlegt hat) der Euro scheitert letztendlich, Deutschland muß die D-Mark wieder einführen und braucht dazu das Rheingold als vertrauensbildende Basis.

Niemand kennt die Zukunft, und es gibt für Staaten wie für Privatleute keine bessere Reserve für den Ernstfall als Gold. Die USA denken gar nicht daran, die ihnen verbliebenen Goldreserven zu verschleudern, China und Rußland erhöhen sogar ihre Goldbestände. Sie wissen, daß Gold ein Souveränitätsmerkmal ist und unabhängig macht. "Gold und wirtschaftliche Freiheit sind untrennbar", sagte schon US-Notenbankchef Alan Greenspan. Daß die Goldverkaufspläne der Sozialdemokraten in Berlin und Frankfurt keinen Proteststurm auslösen, zeigt, daß die Degeneration in Deutschland bereits das fortgeschrittene Stadium erreicht hat. Sind denn die zwei Währungsreformen innerhalb eines Jahrhunderts schon ganz vergessen? Nur innerhalb der Bundesbank existiert eine Fraktion, die Weltekes Vorhaben nach wie vor vehement ablehnt. Im Februar soll im Bundesbankvorstand abgestimmt werden. So wie es jetzt aussieht, wird Welteke dann möglicherweise keine Mehrheit bekommen. Im Interesse unserer Währung und ihrer Integrität kann man darauf nur hoffen.

 

Dr. Bruno Bandulet ist Herausgeber des monatlichen Informationsdienstes "Gold & Money Intelligence".


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