© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 06/04 30. Januar 2004

Angriff der Aktentaschenträger
Reportage: Wie ein Berliner CDU-Ortsverband mit der Hohmann-Affäre umgeht / Stellvertretende Ortsvorsitzende hat Probleme im Umgang mit Medien
Ronald Gläser

Vergangene Woche, Berlin-Charlottenburg: Es tagt die Mitgliederversammlung des CDU-Ortsverbands Grunewald-Halensee. Am gleichen Tag ist das Wort "Tätervolk" zum Unwort des Jahres gekürt worden.

Bei den Parteifreunden von Martin Hohmann wird eifrig gestritten: über den Umgang miteinander und die innerparteiliche Demokratie. Hilde Ribbe verteilt die geschmähte Rede, die dem jetzt fraktionslosen Abgeordneten zum Verhängnis geworden ist. Auch leise Kritik am Inhalt der Rede wird von der resoluten Frau mit einer Frage zerschmettert: "Hast du die Rede überhaupt gelesen?" Hat er nicht. Er erhält ihr Exemplar.

Etwa dreißig Personen haben sich in dem Raum im Rathaus Charlottenburg zusammengefunden. Michael Garmer, der Ortsvorsitzende, ergreift das Wort. Nein, es sei alles andere als eine "große Rede" gewesen. Und Hohmann sei zu bestrafen gewesen. Aber gleich den Rauswurf aus Partei und Fraktion? Da sei die Vorsitzende Angela Merkel doch zu weit gegangen, so Garmer. Anschließend spricht Ribbe, die 1948 mit Gerhard Löwenthal zu den ersten Studenten der neugegründeten Freien Universität Berlin gehört hat. Sie erinnert daran, wie "unchristlich und unwürdig" die Partei mit Hohmann umgesprungen sei. Offenbar sei niemandem außer ihr aufgefallen, wie unterschiedlich die Unionsführung mit den beiden Skandalen um Hohmann und Friedman umgegangen ist. "Der eine wird noch nicht mal gerügt, der andere wird gleich rausgeworfen", sagt Ribbe empört. Mit etwas Verspätung erscheint eine junge Frau. Insgesamt sind Frauen stark in der Minderheit. Die attraktive 25jährige fällt einem sofort auf. Und wie sich gleich herausstellt, ist sie die stellvertretende Vorsitzende der CDU Grunewald: Anke Marei Ludwig. Ein früherer Parteifreund von ihr charakterisiert sie als "eine ganz Linke". Auch ein Ortsverbandsmitglied befürchtet, daß sie nicht mehr "zu der Truppe um Garmer" gehöre.

Anke Ludwig ist aus der Provinz nach Berlin gezogen. Dorthin, wo die wichtigen Entscheidungen getroffen werden. Ihre Internetseite zieren Bilder vom Schloß Charlottenburg, dem ICC und dem Breitscheidplatz. Die Botschaft: Ich bin am Nabel der Welt angekommen.

Sie interessiert sich nämlich für Sicherheitspolitik. Das Thema ihrer Magisterarbeit lautete "Frankreich, die USA und die Nato 1963-1968: Sicherheitspolitik aus französischer Sicht". Deswegen arbeitet sie auch bei Bernd Siebert, einem hessischen CDU-Bundestagsabgeordneten aus derselben Provinz, aus der sie stammt. CDU-intern werden die persönlichen Referenten von Abgeordneten, die meistens auch Parteiämter innehaben, gerne als "Aktentaschenträger" klassifiziert.

Zweifellos ist Anke Ludwig eine sehr intelligente und ehrgeizige Frau. Ein Privatleben hat sie augenscheinlich nicht. Bereits als Schülerin hat sie beim Rheinischen Merkur ein Praktikum absolviert und auch später als Studentin ihre Semesterferien mit Praktika verbracht. So findet sich auf ihrer Internetseite auch unter der Überschrift "Persönliches" nur Berufliches. Ob sie gerne ins Kino geht, Kristallweizen einem trockenen Rotwein vorzieht oder verlobt ist, kann also nicht in Erfahrung gebracht werden.

Aber aus ihrer Meinung macht sie keinen Hehl. Nach Frau Ribbe ergreift sie das Wort. Sie müsse sich eindeutig von der Einladung für diesen Abend distanzieren. Dabei starrt sie Garmer an. Sie gibt dann ihre kulturmarxistischen Thesen zum besten und benutzt Totschlagadjektive wie "populistisch" und "antisemitisch".

Schade ist nur, daß kaum jemand ihre Meinung hören möchte. Außer zwei weiteren Mitgliedern. Eines der beiden hat ebenfalls einen bezahlten Parteijob bei irgendeiner Fraktion oder Geschäftsstelle. Das andere Mitglied spricht von einer "potentiell antisemitischen Rede".

Bernhard Bellinger erklärt Anke Ludwig, die ihm gegenübersitzt, wie marxistische Strategie so funktioniert. Der Gegner wird in drei Phasen bekämpft: isolieren, diskriminieren, liquidieren. Bellinger: "So war es bei Jenninger, bei Möllemann und bei Hohmann." Doch Anke Ludwig kanzelt die Argumente anderer schon mal gerne mit dem Hinweis ab, sie wisse das besser, sie sei ja schließlich Historikerin.

Beim vorzeitigen Verlassen der Veranstaltung springt auch die junge Frau auf. Vor der Tür spricht sie mich freundlich an. "Sind Sie von der Presse?" Manchen Menschen ist das Attribut "mediengeil" geradezu ins Gesicht gemeißelt.

Als sie erfahren muß, daß sie es nicht mit der Süddeutschen Zeitung oder der Zeit zu tun hat, verfinstern sich ihre Gesichtszüge. Ihr dämmert langsam, daß es keinen Jubelartikel geben wird, in dem sich dann Schilderungen finden, wie tapfer die Westentaschen-Merkel den Hohmännern von vorgestern Paroli geboten hat. Sie stellt die Forderung auf, keine Namen zu nennen. Schließlich müsse die berufliche Tätigkeit bei einer internen CDU-Runde vorher angesagt werden. Muß sie nicht. Pech gehabt. Ihr Auftreten wechselt von energisch zu hysterisch. Sie insistiert auf ihrer Forderung, ungenannt zu bleiben. Sie wird physisch aufdringlich und beginnt zu schreien. Sie gebärdet sich schließlich wie eine Furie und brüllt durch die leeren Gänge des abendlichen Rathauses irgend etwas von "guten Sitten". Die kennt sie selber aber nur dem Namen nach. Anke Marei Ludwig muß noch einiges lernen. Über den Umgang mit den Medien zum Beispiel. Vor allem aber über Meinungsfreiheit.


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